Erlösung
Neben ihr lag Rachel. Leblos, blutend, die Lenkradsäule in den Leib gebohrt.
Isabel wollte den Kopf drehen, aber der gehorchte nicht. Dann musste sie husten, und da spürte sie, wie ihr das Blut in den Rachen lief und aus der Nase tropfte.
Komisch, wieso tut das nicht weh, dachte sie noch, und eine Sekunde später explodierte ihr Körper in Tausende Schmerzimpulse. Sie wollte schreien, konnte aber nicht. Jetzt sterbe ich, dachte sie und hustete Blut.
Sie sah, wie sich ein Schatten mit festem Schritt dem Auto näherte. Der wollte ihnen nichts Gutes.
Sie versuchte, die Gestalt zu fokussieren, aber das Blut, das ihr übers Gesicht lief, hinderte sie daran. Wenn sie blinzelte, fühlte sich das an, als hätte sie Sandpapier unter den Augenlidern.
Erst als er so nahe war, dass sie hören konnte, was er sagte, erkannte sie das Stück Metall, das er in der Hand hielt.
»Isabel«, sagte er. »Dich hier zu sehen, damit hab ich nun überhaupt nicht gerechnet. Warum musstest du dich auch einmischen? Schau dir an, was dabei rausgekommen ist.«
Er ging in die Hocke und spähte durchs Seitenfenster. Vermutlich überlegte er, von wo aus er sie am besten tödlich treffen konnte.
Sie probierte erneut, den Kopf zu drehen, um den Kerl deutlicher zu sehen, aber ihre Muskeln blieben schlaff.
»Es gibt andere, die dich kennen«, stöhnte sie und spürte einen stechenden Schmerz im Unterkiefer.
Er lächelte. »Mich kennt niemand.«
Er ging einmal um das Auto herum. Auf der anderen Seite bückte er sich und betrachtete Rachel. »Na, um die muss ich mich wohl nicht mehr kümmern. Umso besser.«
Plötzlich richtete er sich auf. Isabel hörte die Sirenen und sah den Schein der Blaulichter auf seinen Beinen. Unwillkürlich trat er ein paar Schritte zurück.
Da verlor sie das Bewusstsein.
32
Inzwischen stank es so sehr nach versengtem Gummi, dass er noch vor Roskilde auf einem Parkplatz anhielt. Erst drückte er den ramponierten Kotflügel vorne rechts vom Reifen weg, dann umrundete er den Wagen, um das Ausmaß der Schäden zu begutachten. Doch erstaunlicherweise fielen die auf den ersten Blick gar nicht so sehr auf.
Sobald sich die Aufregung etwas gelegt hatte, musste er das Auto in Ordnung bringen lassen. Alle Spuren, aber auch wirklich alle, mussten beseitigt werden. Vielleicht von einem Mechaniker in Kiel oder im schwedischen Ystad, je nachdem.
Er steckte sich eine Zigarette an und las den Brief, der im Beutel gelegen hatte.
Eigentlich war das der besondere Moment, auf den er immer wartete: hier, wo die Autos vorbeirasten, in der Dunkelheit zu stehen und zu wissen, wieder einmal getan zu haben, was getan werden musste. Zu wissen, dass im Beutel das Geld lag und nun nur noch die Sache im Bootshaus erledigt werden musste.
Aber diesmal war nichts wie sonst. Der Schock steckte ihm immer noch in den Knochen. Der Schock, der ihn getroffen hatte, als er neben den Schienen auf der Landstraße stand und in dem Beutel statt des Geldes einen Brief und seine eigenen Sachen fand.
Sie hatten ihn betrogen.
Er sah den demolierten Ford Mondeo vor sich. Diese fromme Trine hatte nur bekommen, was sie verdiente. Geschah ihr recht! Aber das mit Isabel, das wurmte ihn.
Wie sich das entwickelt hatte, das hatte er sich selbst zuzuschreiben, das war von Anfang an sein Fehler gewesen. Hätteer sich doch bloß auf seinen Instinkt verlassen. Hätte er sie doch gleich in Viborg umgebracht, als sie ihm auf die Schliche gekommen war.
Aber wer hätte ahnen können, dass es eine Verbindung zwischen Rachel und Isabel gab? Schließlich lagen etliche Kilometer zwischen Dollerup und Isabels Reihenhaus in Viborg. Was zum Teufel hatte er übersehen?
Er inhalierte den Rauch tief und hielt ihn so lange unten in der Lunge, wie er konnte. Kein Geld. Und das alles nur wegen ein paar törichter Fehler, die er sich selbst zuzuschreiben hatte. Wegen törichter Fehler und einem unseligen Zusammentreffen. Und jetzt hing alles an Isabel. Im Moment wusste er nicht mal, ob sie tot war. Wären ihm vorhin, nach dem Crash, auch nur zehn Sekunden mehr geblieben, dann hätte er ihr den Wagenheber über den Schädel gezogen.
Dann könnte er jetzt sicher sein.
Nun musste er hoffen, dass die Natur das Ihre tat. Der Unfall war heftig gewesen. Der Ford hatte mit voller Wucht einen Baum gerammt und sich dann mindestens zehnmal überschlagen. Das schrille Kreischen von eingedrücktem Metall, das über Asphalt rutscht, klang ihm immer noch im Ohr. Wie sollten sie das überlebt
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