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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Bescheid.
    Die Familie wohnte am Rand von Dollerup. Fünf Kinder, zwischen zehn und achtzehn Jahren. Alle lebten zu Hause und alle waren aktive Mitglieder in der Kirche der Gottesmutter.
    Die beiden Ältesten gingen in Viborg aufs Gymnasium, die übrigen wurden von der Mutter zu Hause unterrichtet. Sie, Mitte vierzig, ehemalige Tvind-Lehrerin an einer dieser alternativen Siebzigerjahre-Schulen, hatte sich, in Ermangelung anderer bleibender Lebensinhalte, eben nun Gott zugewandt. In diesem Haushalt hatte sie die Hosen an. Sie managte die Familie und die Religion. Der Mann war zwanzig Jahre älter und einer der wohlhabendsten Unternehmer der Gegend. Selbst wenn er die Hälfte seines Einkommens der Kirche der Gottesmutter spendete, was allen Mitgliedern empfohlen war, blieb reichlich übrig.
    In der Familie gab es nur ein Problem: Der zweitälteste Sohn, an sich ein ausgesprochen gut geeignetes Objekt, hatte mit Karate angefangen. Das allein war zwar kein Grund, nervös zu werden, der schmächtige Junge stellte deshalb noch keine Gefahr für ihn dar. Aber er könnte das Timing ruinieren.
    Und aufs Timing kam es an, wenn es unangenehm wurde. Mit dem Timing stand und fiel alles.
    Abgesehen davon hatten dieser zweitälteste Sohn und seine mittlere kleine Schwester, die Nummer vier in der Geschwisterschar, alles, was notwendig war, damit sein Vorhaben gelang. Sie waren unternehmungslustig, sie waren die beiden Hübschesten der Geschwister und sie waren auch diejenigen, die den Ton angaben: unbedingte Lieblinge ihrer Mutter. Sie waren gute Kirchgänger, aber zugleich auch ein bisschen wild. Kinder, für die es nur Entweder-oder gab, entweder wurden sie Hohepriester oder ausgestoßen. Sie waren gläubig und zugleich wilde Hummeln. Die perfekte Kombination.
    Vielleicht ein bisschen so, wie er selbst einmal gewesen war.
     
    Er parkte den Lieferwagen in einigem Abstand zwischen den Bäumen, saß lange mit dem Fernglas im Auto und beobachtete die Kinder, wenn sie Pause hatten. Sie spielten im Garten neben dem Bauernhof. Das Mädchen, das er auserkoren hatte, machte sich eine ganze Weile mit irgendetwas in einer Ecke unter ein paar Bäumen zu schaffen. Mit etwas, das nicht für die Augen der anderen bestimmt war. Auch das bestätigte ihm, was für eine gute Wahl sie doch war.
    Was sie da tut, ist sicher etwas, das weder ihre Mutter schätzt noch den Geboten ihrer Kirche entspricht, dachte er und nickte. Es waren stets die besten Schafe aus der Herde, die Gott auf die Probe stellte. Die zwölfjährige Magdalena war da offenbar keine Ausnahme.
    Er saß noch weitere zwei Stunden zurückgelehnt im Lieferwagen und betrachtete den Bauernhof dort in der Kurve vor Dollerup. Durch das Fernglas sah er ganz deutlich, wie sich im Verhalten des Mädchens ein Muster abzeichnete. In jeder Pause hockte sie ganz für sich in der Ecke des Gartens, und wenn dann die Mutter zur nächsten Stunde rief, deckte sie etwas zu.
    Für ein halbwüchsiges Mädchen in einer Familie, die sich zur Kirche der Gottesmutter bekannte, gab es viele Restriktionen und Tabus: Tanz, Musik, alles Gedruckte – abgesehen natürlich von den Veröffentlichungen der Kirche selbst   –, Alkohol, Kontakte zu Menschen außerhalb der Gemeinde, Kuscheltiere, Fernsehen, Internet. Alles war verboten, und die Strafe für Übertretungen war hart: Man wurde aus der Familie und der Gemeinde ausgestoßen.
    Er fuhr, bevor die großen Jungs nach Hause kamen. Er hatte ein gutes Gefühl. Das war bestimmt die richtige Familie. Nun wollte er noch einmal den Geschäftsbericht der Firma des Mannes und dessen Steuererklärung durchgehen. Am nächsten Tag würde er wieder hinausfahren und, soweit das möglich war, das Tun und Lassen der Kinder beobachten.
    Denn schon bald gab es keinen Weg mehr zurück. Ein berauschender Gedanke.
     
    Isabel hieß seine Gastgeberin, doch sie selbst war nicht halb so exotisch wie ihr Name. Im Regal standen schwedische Krimis und CDs von Anne Linnet. Sie machte keine Abstecher in unbekanntes Terrain.
    Er sah auf die Uhr. In einer halben Stunde würde sie zu Hause sein. Es blieb also Zeit zu checken, ob mit unangenehmen Überraschungen zu rechnen war. Er setzte sich an den Schreibtisch, schaltete ihr Notebook ein und knurrte ein bisschen, als er nach dem Passwort gefragt wurde. Zweimal versuchte er es vergeblich, dann hob er die Schreibunterlage an und fand einen kleinen Zettel mit Passwörtern für alles Mögliche, vom Internetbanking bis zum Internetdating. Das

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