Erlösung
das gesehen?«
Wieder nickte er.
Es war schier ungeheuerlich, und sie hatten nicht das Geringste geahnt.
Falls schwarzes Gekritzel auf Fingernägeln nicht der letzte modische Schrei war, gab es keinen Zweifel: Yrsa und Rose waren ein und dieselbe Person.
37
»Schaut mal, was ich für euch habe!« Mit diesen Worten legte Lis einen riesigen, in Cellophan verpackten Strauß Rosen auf Carls Schreibtisch.
Carl hatte gerade nach dem Telefonhörer greifen wollen. Was sollte das denn nun schon wieder?
»Machst du mir einen Antrag, Lis? Na, wird langsam auch Zeit, dass du meine Qualitäten erkennst.«
Sie klimperte mit den Wimpern. »Der wurde im Dezernat A abgegeben. Marcus fand allerdings, dass der euch gebührt.«
Carl runzelte die Stirn. »Wofür?«
»Ach, Carl, nun lass gut sein. Das weißt du doch.«
Er zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf.
»Als sie die Brandstätte noch mal durchsuchten, haben sie den entscheidenden Knochen vom kleinen Finger gefunden. In einem Haufen Asche. Und der hatte eine Rille.«
»Und deshalb bekommen wir Rosen?« Carl kratzte sich am Hinterkopf. Hatten sie die auch in der Asche gefunden?
»Nein, nicht deshalb. Aber das soll dir Marcus lieber selbst erzählen. Jedenfalls kommt dieser Strauß von Torben Christensen, dem Mann von der Brandversicherung. Die Ermittlungen der Polizei haben seiner Firma heute einen Haufen Geld eingespart.«
Sie kniff Carl in die Wange – wie ein freundlicher alter Onkel, dem nichts Besseres einfällt, um seine Anerkennung auszudrücken. Und dann ging sie.
Carl machte einen langen Hals, damit er den Anblick dieser schönen Rückenpartie noch ein bisschen länger genießen konnte.
»Was ist los?« Assad stand draußen auf dem Gang. »Wir müssen gleich fahren.«
Carl nickte und wählte Jacobsens Nummer.
»Ich soll nur kurz von Assad fragen, wie wir zu den Rosen kommen«, sagte er ohne Überleitung, als sich der Chef meldete.
War die Reaktion ein Freudenausbruch? Man konnte es so auslegen. »Carl, wir haben heute die Inhaber der drei brandgeschädigten Firmen vernommen. Und jetzt haben wir endlich beweiskräftige Aussagen. Ihr hattet ja vollkommen recht. Die hat man allesamt unter Druck gesetzt, Kredite zu hohen Zinsen abzuschließen. Und als sie die Zinsen nicht bezahlen konnten, wurden die Eintreiber grob und verlangten, die Hauptschuld müsse getilgt werden. Es folgten allerlei Schikanen und telefonische Drohungen. Und schließlich massive Erpressungen. Die Kreditnehmer verzweifelten zunehmend, denn Firmen mit Liquiditätsproblemen können ja heutzutage nicht einfach woanders hingehen, um sich Geld zu leihen.«
»Und die Geldeintreiber, was passierte mit denen?«
»Das wissen wir nicht. Aber wir gehen davon aus, dass sie von den Hintermännern liquidiert wurden. Die serbische Polizei hat das schon öfter erlebt. Großer Bonus für die Eintreiber, die das Geld rechtzeitig beibringen, und das Messer für die, denen das nicht gelingt.«
»Hätten die den ganzen Kram nicht einfach abfackeln können, ohne gleich auch noch ihre Arbeitskräfte umzubringen?«
»Klar. Aber es gibt eine andere Theorie. Demnach schicken sie ihre schlechtesten Eintreiber nach Skandinavien, weil der Markt hier den Ruf hat, leichter handhabbar zu sein. Als sich jedoch zeigte, dass dem nicht so ist, mussten Exempel statuiert werden, die auch in Belgrad Wirkung zeigen. Für Geldhaie ist nichts so gefährlich wie Geldeintreiber, die zu wenig Geld anschleppen, die man nicht kontrollieren oder denen man nichtvertrauen kann. Das ist so. Da und dort mal jemanden umlegen, das bringt wieder Disziplin in den Laden.«
»Hm. Die bringen ihre schlechten Handlanger hier in Dänemark um. In einem Rechtsstaat mit niedrigen Strafen. Das ist wahrscheinlich ganz zweckmäßig, könnte ich mir vorstellen. Für den Fall, dass die Täter auffliegen.«
Er konnte förmlich sehen, wie Jacobsen den Yes-Daumen hob.
»Na dann, Carl«, sagte Jacobsen. »Dank unserer Ermittlungen steht jetzt jedenfalls fest, dass die Versicherungsgesellschaften nicht die volle Erstattungssumme zahlen müssen. Da ist viel Geld im Spiel, und deshalb hat uns der Versicherungsagent Rosen geschickt. Und wer hätte die mehr verdient als ihr?«
Das Eingeständnis ging ihm sicher nicht ganz leicht über die Lippen.
»Na prima. Dann habt ihr ja jetzt Männer frei für andere Aufgaben«, konterte Carl. »Ich finde, die sollten zu uns runterkommen und uns helfen.«
Was da am anderen Ende als Kommentar zu hören war,
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