Erlösung
einen Termin beimPsychologen, Carl. Hast du das vergessen?«, sagte sie und warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Ja, du hast es echt eilig, würde ich meinen.«
»Was soll das heißen?«
Sie reichte ihm die Adresse. »Wenn du rennst, kannst du es gerade noch schaffen. Ich soll von Mona Ibsen grüßen und ausrichten, sie sei stolz, dass du das durchziehst.«
Das saß. Da gab es nun keinen Weg dran vorbei.
Die Anker Heegaards Gade war zwar nur zwei Straßen vom Präsidium entfernt, aber doch weit genug, dass Carl sich fühlte, als hätte man ihm eine Vakuumpumpe ins Maul gestopft, die seine Lungenflügel zusammenklappen ließ. Mit Gefallen dieser Art durfte sich Mona künftig gern zurückhalten.
»Gut, dass Sie gekommen sind«, sagte dieser Psychoheini namens Kris. »War’s schwer zu finden?«
Was sollte man darauf antworten? Zwei Straßen weiter. Ausländerabteilung der Reichspolizei, wo er schon etwa dreitausendmal war.
Aber was hatte der Psychologe da verloren?
»Spaß beiseite, Carl. Ich weiß doch, dass Sie ganz andere Sachen finden. Und jetzt fragen Sie sich bestimmt, was ich hier im Haus zu suchen habe. Nun ja, wir haben hier in der Ausländerabteilung vieles, wofür man einen Psychologen braucht. Das können Sie sich ja vorstellen.«
Dieser Kerl war ja echt unheimlich. Zapfte der seine Gedanken an, oder was?
»Ich hab nur eine halbe Stunde«, sagte Carl. »Wir stecken mitten in einer eiligen Geschichte.«
Das war nicht mal gelogen.
»Ja.« Kris notierte sich das in seine Akte. »Sehen Sie doch bitte zu, nächstes Mal pünktlich zu sein, ja?«
Er zog eine Akte hervor, die zu kopieren mindestens zwei Stunden gedauert haben musste.
»Wissen Sie, was das hier ist? Hat man Sie darüber informiert?«
Carl schüttelte den Kopf, aber er konnte es sich vorstellen.
»Ich sehe, Sie haben eine Vermutung. Das sind Ihre Stammdaten und darüber hinaus die Akte des Falles, bei dem Sie und Ihre Kollegen in der Baracke auf Amager niedergeschossen wurden. Ich muss in dem Zusammenhang sagen, dass ich Informationen habe, die ich Ihnen leider nicht offenlegen kann.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich habe Berichte sowohl von Hardy Henningsen als auch von Anker Høyer, mit denen Sie gemeinsam in dem Fall ermittelt haben. Aus denen geht hervor, dass Sie besser über die Vorgänge informiert waren als die beiden anderen.«
»Aha. Das finde ich nicht. Warum schreiben die so was? Wir waren gemeinsam an dem Fall dran, und zwar vom ersten Tag an.«
»Ja, also das ist eine der Sachen, bei denen wir im Lauf unserer Sitzungen ein bisschen weiterkommen wollen. Ich glaube, Sie stecken in dem Fall vielleicht etwas in der Klemme. Da ist etwas, das Sie entweder verdrängt haben oder womit Sie nicht rausrücken wollen.«
Carl schüttelte den Kopf. Was zum Teufel war das denn? Saß er hier auf der Anklagebank, oder was?
»Ich bin in überhaupt keiner Klemme«, sagte er, und ihm wurde vor Ärger heiß im Gesicht. »Das war ein stinknormaler Fall. Abgesehen davon, dass man auf uns geschossen hat. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Haben Sie eine Idee, warum Sie nach so langer Zeit noch so heftig auf den Vorfall damals reagieren?«
»Na, das würden Sie ja wohl auch, wenn Sie um Haaresbreite erschossen worden wären und wenn zwei Ihrer besten Freunde nicht so viel Glück gehabt hätten wie Sie.«
»Sie meinen, Hardy und Anker waren zwei Ihrer besten Freunde?«
»Die waren meine Kumpels, meine Partner, ja. Meine guten Kollegen.«
»Das ist was anderes, finde ich.«
»Ich weiß nicht, ob Sie einen gelähmten Mann in Ihrem Wohnzimmer haben? Ich schon. Und da würden Sie mich also nicht einen guten Freund nennen?«
»Sie verstehen das falsch. Ich bin sicher, dass Sie in vielerlei Hinsicht ein guter Typ sind. Und bestimmt haben Sie Hardy Henningsen gegenüber auch ein schlechtes Gewissen, deshalb geben Sie sich ja so viel Mühe. Aber sind Sie denn sicher, dass das damals, als Sie zusammengearbeitet haben, auch eine gute Partnerschaft war?«
»Das will ich meinen.« Verdammt, was war der Kerl nervig!
»Anker Høyer hatte Kokain im Blut, als er obduziert wurde. Wussten Sie das?«
An dieser Stelle ließ sich Carl in etwas zurücksinken, das ein Sessel sein sollte. Nein, das wusste er nun wahrhaftig nicht.
»Hatten Sie auch Kokain intus, Carl?«
Irgendwie wirkten diese hellblauen Augen, die ihn fixierten, zunehmend kalt. Als Mona zugeschaut hatte, hatte Kris unverhohlen mit ihm geflirtet. Niedliches Schwuchtelblinzeln. Aber das
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