Erlösung
Gerümpel zwängte. Aber dort war es viel zu still.
Er rannte an Belüftungsrohren, den Leitern und einem Teakholztisch mit Spraydosen und Aktenordnern vorbei, bis er auf einmal vor der Hintertür stand.
Voll banger Ahnung fasste er nach dem Türgriff, drückteihn herunter und stand dann draußen neben der Feuertreppe und starrte in das schwarze Nichts.
Der Mann war weg.
Assad kam nach zehn Minuten zurück. Verschwitzt und mit leeren Händen.
»Drüben beim Parkhaus hab ich einen Blutfleck entdeckt«, sagte er.
Carl atmete ganz langsam aus. Die letzten Minuten waren furchtbar gewesen. Der Wachhabende im Präsidium hatte ihm die erbetenen Informationen durchgegeben.
»Nein, tut mir leid«, hatte der gesagt, »es gibt niemanden mit der Personennummer.«
Kein Mensch mit dieser Personennummer! René Henriksen gab es überhaupt nicht! Außer dass er der Mann war, nach dem sie suchten!
»Okay, Assad, danke«, sagte er müde. »Ich hab die Hundepatrouille angefordert, die kommen bald. Dann haben sie wenigstens was, woran sie sich orientieren können. Aber das ist auch unsere einzige Hoffnung.«
Er berichtete Assad von den Rechercheergebnissen des Präsidiums. Sie hatten nichts Verwertbares von dem Mann, der sich René Henriksen nannte. Ein Massenmörder war auf der Flucht.
»Find die Telefonnummer des Polizeiinspektors hier in Roskilde raus. Er heißt C. Damgaard«, bat Carl dann. »Ich ruf inzwischen Jacobsen an.«
Er hatte seinen Chef schon öfter unter der Privatnummer gestört. Die Telefonleitung des Chefs der Kopenhagener Mordkommission war Tag und Nacht zugänglich. Die Vereinbarung galt immer.
»In einer Großstadt wie Kopenhagen ruht das Verbrechen nie. Warum sollte ich es?«, war seine stehende Redewendung.
Aber Marcus Jacobsen klang alles andere als begeistert, als er erfuhr, warum Carl ihn aus der Feierabendruhe riss.
»Carl, das gibt’s doch gar nicht! Du musst Damgaard anrufen. Roskilde ist nicht mein Bezirk.«
»Nein, Marcus, das weiß ich. Und Assad sitzt schon dran. Aber es ist einer deiner Mitarbeiter, der hier Bockmist gebaut hat.«
»Na, wer hätte gedacht, dass ich so was mal von einem Carl Mørck zu hören bekomme.« Es klang fast erfreut.
Carl schüttelte den Gedanken ab. »Die Journalisten sind jeden Moment hier«, sagte er. »Was soll ich tun?«
»Informier Damgaard und reiß dich am Riemen. Du hast den Mann laufen lassen, nun sieh zum Teufel noch mal zu, dass du ihn wieder einfängst. Bezieh die Roskilder Kollegen in die Arbeit ein, ja? Gute Nacht, Carl, und gute Jagd. Über den Rest reden wir morgen.«
Carl spürte einen leichten Druck auf der Brust. Kurz gesagt, Assad und er waren auf sich allein gestellt.
»Hier, die Privatnummer von Polizeiinspektor Damgaard«, sagte Assad.
Während Carl die Nummer eingab und auf das Freizeichen horchte, spürte er, wie der Druck auf der Brust zunahm. Verdammt noch mal, nein! Nicht jetzt!
»Hier Damgaard. Leider bin ich nicht zu Hause. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht«, tönte der Anrufbeantworter.
Wütend klappte Carl das Handy zu. War denn dieser verdammte Polizeiinspektor von Roskilde überhaupt jemals erreichbar?
Er seufzte. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als sich mit den Kollegen zufriedenzugeben, die demnächst hier auftauchen würden. Vielleicht hatte einer von denen ja eine Idee, wie sich der Albtraum hier beenden ließ. Allerdings sollten sie damit fertig sein, ehe sämtliche Journalisten Seelands auf der Matte standen. Ein paar lokale Geier waren schon eingetroffenund fotografierten auf Teufel komm raus. Herrje! In dieser Multimediagesellschaft verbreiteten sich die Gerüchte inzwischen schneller als die Ereignisse. Hunderte Augen hatten gesehen, was passiert war, und Hunderte Handys waren gezückt worden. Da ließen die Aasgeier nicht lange auf sich warten!
Er nickte den beiden lokalen Ermittlern zu, die der Polizeibeamte an der Empfangstheke passieren ließ.
»Carl Mørck.« Er zeigte ihnen seine Dienstmarke. Beide kannten offenkundig den Namen, ohne das jedoch zu kommentieren. Er informierte sie über die Vorgänge, was nicht ganz einfach war.
»Wir suchen also nach einem Mann, der in der Lage ist, sich bis zur Unkenntlichkeit zu verkleiden, dessen Namen wir nicht kennen und dessen Mercedes unser einziger konkreter Anhaltspunkt ist. Klingt nach einem Kinderspiel«, fasste der eine zusammen. »Wir nehmen Fingerabdrücke an seinem Mineralwasserglas und hoffen, das hilft ein bisschen. Was ist mit dem
Weitere Kostenlose Bücher