Erlösung
man etwas klarer sehen konnte.
Die Flammen waren bereits bis zur Zimmerdecke geschlagen und an vielen Kartons im Zimmer leckten sie immer noch.
»Mia!«, brüllte der junge Mann. »Mia, bist du da drin?«
In dem Moment schoss von draußen ein Wasserstrahl durchs Dachfenster und sofort schlug ihnen der Wasserdampf entgegen.
Als Carl sich zu Boden warf, spürte er einen brennenden Schmerz in der Schulter und im Arm, mit dem er instinktiv sein Gesicht hatte schützen wollen.
Sie hörten Rufe von draußen, dann kam der Schaum.
Innerhalb weniger Sekunden war alles überstanden.
»Wir müssen die Fenster aufreißen«, hustete der Roskilder Kollege neben ihm. Carl sprang auf und tastete sich zu einer Tür vor, der Kollege fand eine weitere.
Während der Rauch aus der oberen Etage abzog, machte sich der junge Mann verzweifelt in dem Zimmer zu schaffen, in dem es gebrannt hatte. Er stand auf dem glitschigen Fußboden und zerrte fieberhaft Umzugskartons auf den Flur. Etliche Kartons qualmten noch, aber das bremste ihn nicht.
Da entdeckte Carl den leblosen Körper auf dem Treppenabsatz.
Es war Assad.
»Achtung!«, brüllte er und schob einen Polizisten zur Seite.
Er sprang ein paar Treppenstufen hinab, packte Assads Beine von unten, zog ihn mit einem Ruck zu sich heran und wuchtete ihn sich auf die Schulter.
»Helft ihm«, knurrte er zwei Sanitäter an, die mit Sauerstoffmasken auf dem Rasen vor dem Haus warteten.
Verdammt noch mal, helft ihm, dachte er immer wieder. Jetzt tönten Rufe aus dem ersten Stock.
Er sah die junge Frau nicht, als sie mit ihr aus dem Haus kamen. Er bemerkte sie erst, als sie auf eine Trage neben Assad gelegt wurde. Völlig zusammengekrampft lag sie da, als wäre die Totenstarre bereits eingetreten.
Dann brachten sie den jungen Mann. Er war schwarz von Ruß, große Teile seiner Haare hatte das Feuer versengt, aber das Gesicht war intakt.
Er weinte.
Carl wandte sich von Assad ab und trat zu dem jungen Mann, der aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.
»Sie haben getan, was Sie konnten«, zwang sich Carl zu sagen.
Da begann der Mann zu lachen, und dann lachte und weinte er gleichzeitig.
»Sie lebt«, schluchzte er und sank auf die Knie. »Ich habe gespürt, dass ihr Herz schlägt.«
Hinter Carl war Assad zu hören, er hustete.
»Was ist denn hier los?«, rief er und strampelte mit Armen und Beinen.
»Liegen Sie still«, mahnte der Sanitäter. »Sie haben eine Rauchvergiftung, und das kann lebensgefährlich sein.«
»Rauchvergiftung, so ’n Quatsch. Ich bin auf der Treppe gestürzt und hab mir den Kopf angeschlagen. Bei dem Rauch konnte man ja auf zwei Meter keinen Elefantenarsch erkennen.«
Zehn Minuten vergingen, dann schlug die Frau die Augen auf. Der Notarzt hatte sie an den Tropf gehängt und ihr die Sauerstoffmaske aufgesetzt, das half.
Die Feuerwehrleute hatten den Brand in der Zwischenzeit vollständig gelöscht, und Assad, Carl und die Roskilder Kollegen hatten das Haus oberflächlich durchsucht. Keine Spur von Dokumenten betreffend René Henriksen alias Claus Larsen. Auch keine Informationen zu einem Haus in Wassernähe.
Sie hatten einzig und allein die Kaufurkunde des Hauses entdeckt, in dem sie standen. Und die war auf noch einen anderen Namen, Benjamin Larsen, ausgestellt.
Sie überprüften, ob auf den Namen ein Mercedes angemeldet war. Fehlanzeige.
Dieser Mann hatte so viele Identitäten wie ein Fuchsbau Ausgänge, es war schier unglaublich.
Im Wohnzimmer hatten sie Fotos von einem Brautpaar entdeckt. Sie lächelnd, mit großem Brautstrauß, er elegant und mit unbewegter Miene. Also war die Frau auf der Trage seine Ehefrau. Die Namen standen an der Haustür: Mia und Claus Larsen.
Arme Mia.
»Wie gut, dass Sie hier waren, als wir kamen. Sonst hätte es eine echte Katastrophe gegeben«, sagte Carl zu dem jungen Mann, der mit in den Rettungswagen eingestiegen war und die Hand der Frau hielt. »Was für eine Beziehung haben Sie zu Mia Larsen? Wer sind Sie?«, fragte Carl.
Er heiße Kenneth, antwortete er, und mehr sagte er nicht. Die Erklärungen mussten sich dann eben die Kollegen geben lassen.
»Sie müssen bitte mal ein Stück zur Seite rücken, Kenneth. Ich muss Mia Larsen ein paar Fragen stellen, die keinen Aufschub dulden.« Er sah den Notarzt fragend an, der zwei Finger hob.
Zwei Minuten, mehr bekam er nicht.
Carl holte tief Luft. Das war jetzt vielleicht ihre letzte Chance.
»Mia«, sagte er. »Ich bin Polizist. Sie brauchen keine
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