Erlösung
Angst zu haben, jetzt sind Sie in guten Händen. Wir suchen nach Ihrem Mann. Hat er das getan?«
Sie nickte.
»Wir müssen unbedingt wissen, ob Ihr Mann irgendwo in Wassernähe ein Haus besitzt. Vielleicht ein Ferienhaus? Wissen Sie etwas?«
Sie presste die Lippen zusammen. »Vielleicht.« Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern.
»Wo?« Er bemühte sich, seine Ungeduld zu unterdrücken.
»Weiß nicht. Broschüren … oben … in Kartons.« Sie nickte zur offenen Tür des Sanitätswagens in Richtung Haus.
Was für eine unmögliche Aufgabe.
Carl wandte sich an die Polizisten aus Roskilde und erklärte ihnen, wonach sie suchen sollten. Ein Anwesen mit einem Bootshaus irgendwo an einem Fjord. Falls sie einen solchen Prospekt oder etwas Ähnliches in einem der Kartons fanden, die Kenneth auf den Flur gezerrt hatte, sollten sie ihn umgehendkontaktieren. Die Kartons, die noch im Raum standen, konnten sie im Augenblick erst mal vernachlässigen. Die waren garantiert total hinüber.
»Mia, kennen Sie Ihren Mann unter anderen Namen als Claus Larsen?«, fragte er am Ende.
Sie schüttelte den Kopf.
Dann hob sie einen Arm. Sehr, sehr langsam und zielstrebig zu Carls Kopf hin.
Sie zitterte dabei vor Anstrengung. Dann legte sie ihm leicht die Hand an die Wange.
»Bitte finden Sie Benjamin, ja?« Ihre Hand sank wieder auf die Trage und sie schloss erschöpft die Augen.
Carl sah den jungen Mann fragend an.
»Benjamin ist ihr Sohn«, sagte er. »Mias einziges Kind. Er ist erst gut anderthalb Jahre alt.«
Carl seufzte und drückte behutsam die Hand der Frau.
Wie viel Leid ihr Mann der Welt zugefügt hatte. Und wer würde ihn aufhalten?
Er stand auf und der Notarzt begutachtete ein letztes Mal seinen Arm und die Schulter. Die würden in den nächsten Tagen verdammt wehtun, warnte er.
Tja, das war nun nicht zu ändern.
Die Feuerwehrleute rollten die Schläuche auf, und der Rettungswagen fuhr davon.
»Assad, bist du okay?«
Sein Gehilfe rollte mit den Augen. Bis auf etwas Kopfweh und Ruß überall war er okay.
»Er ist entkommen, Assad.«
Assad nickte. »Was können wir jetzt noch machen?«
Carl zuckte die Achseln. »Jetzt ist es zwar dunkel, aber ich finde, wir sollten an den Fjord fahren und uns die Stellen ansehen, die Yrsa eingekreist hat.«
»Haben wir die Fotos mit?«
Er nickte und nahm einen Aktendeckel vom Rücksitz. AlleLuftaufnahmen der Fjordküste. Fünfzehn Stück. Und nicht gerade wenige Kreise.
»Was glaubst du, warum hat Klaes Thomasen nicht zurückgerufen?«, fragte Assad, als sie sich ins Auto setzten. »Er wollte doch mit dem Reserveförster reden.«
»Revierförster, meinst du. Ja, das hat er gesagt. Er wird ihn noch nicht erreicht haben.«
»Soll ich Klaes nicht noch mal anrufen und fragen?«
Carl nickte und gab Assad sein Handy.
Es verging eine Weile, ehe Assad Kontakt bekam. Ganz offenkundig stimmte etwas nicht. Schließlich klappte er das Handy zu.
Er warf Carl einen düsteren Blick zu. »Klaes Thomasen war sehr überrascht. Schon gestern hat er Yrsa erzählt, der Reviermensch habe bestätigt, dass es in der Nähe der Forststraße zum Waldaufseher ein Bootshaus gibt.« Einen Moment sah es so aus, als wunderte er sich über das Wort. Dann fuhr er fort. »Er hatte Yrsa gebeten, das weiterzugeben. Ich glaube, das war, als du ihr die Rosen geschenkt hast, Carl. Ich glaube, sie hat vergessen, das auszurichten.«
Vergessen? Bitte was? Wie um Himmels willen konnte denn so was passieren? So eine wichtige Information? War die Frau jetzt völlig neben der Spur?
Aber er hielt an sich. Bei wem sollte er sich auch beschweren?
»Wo liegt dieses Bootshaus, Assad?«
Assad legte die Landkarte aufs Armaturenbrett und deutete auf einen doppelten Kreis. Vibehof am Dyrnæsvej im Waldgebiet Nordskoven. Yrsa selbst hatte die Stelle markiert. Es war kaum auszuhalten!
Aber woher hätten sie wissen sollen, dass die Gute ins Schwarze getroffen hatte? Und dass sie es plötzlich so verdammt eilig haben würden? Dass es eine neue Entführung gegeben hatte?
Tja, jetzt waren sie schlauer. Er schüttelte den Kopf. Der Entführer hatte erneut zugeschlagen, und alles deutete darauf hin, dass sich die beiden Kinder in der gleichen Situation befanden wie vor dreizehn Jahren Poul und Tryggve Holt. Zwei Kinder in höchster Not. Genau jetzt!
50
Im Dorf Jægerspris bogen sie bei einem roten Pavillon ab, an dem
Skulptur und Malerei
stand. Dann waren sie im Wald.
Erst nachdem sie eine ganze Strecke über
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