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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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seinem Büro. Falls sie den Karton mit dem Ladegerät in einer seiner Schubladen oder Schränke fand, wie sollte sie ihm erklären, dass sie darin herumgewühlt hatte?
    Sie schob die Tür auf.
    Der Raum war ganz und gar anders als ihr Zimmer, das direkt gegenüber lag. Diesem Raum hier fehlte jegliche Energie, jene schwer zu definierende Ausstrahlung von Farben und kreativen Gedanken, wie es sie in ihrem Zimmer gab. Hier existierten nur beigefarbene und graue Flächen und nichts sonst.
    Sie öffnete sämtliche Einbauschränke und starrte hinein. Sie waren mehr oder weniger leer. Wären es ihre Schränke, würden Tagebücher, Fotoalben und aller möglicher Krimskrams herausquellen, gesammelte Erinnerungen an unbeschwerte Tage mit ihren Freundinnen.
    In den Regalen standen nur wenige Bücher. Fachbücher offenbar, über Themen, die mit seiner Arbeit zu tun hatten: Schusswaffen und Polizeiarbeit und all so was. Auch Bücher über religiöse Sekten waren darunter. Über die Zeugen Jehovas, die Kinder Gottes, die Mormonen und etliche andere, von denen sie noch nie gehört hatte. Seltsam, dachte sie. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was auf den obersten Regalbrettern lag.
    Nichts Nennenswertes.
    Da nahm sie Benjamin wieder auf den Arm und öffnete mit der freien Hand die Schreibtischschubladen, eine nach deranderen. Abgesehen von einem grauen Wetzstein, so einem, wie ihn ihr Vater zum Schleifen seiner Fischmesser benutzte, war da nichts Aufregendes. Nur Papier, Stempel und ein paar nagelneue Boxen mit Disketten, wie sie inzwischen gar nicht mehr benutzt wurden.
    Sie zog die Tür zu, alle Gefühle waren wie eingefroren. In diesem Moment kannte sie weder sich noch ihren Mann. Das war alles so erschreckend und irreal. So etwas hatte sie noch nie erlebt.
    Benjamins Kopf sank auf ihre Schulter, und sie spürte seinen ruhigen Atem an ihrem Hals.
    »Ach, mein Schätzchen. Bist du einfach eingeschlafen?«, flüsterte sie, als sie ihn in sein Gitterbettchen legte. Jetzt musste sie höllisch aufpassen, nicht die Kontrolle zu verlieren. Alles musste genau so laufen wie immer.
    Sie atmete tief durch, nahm das Telefon und rief in der Kinderkrippe an. »Benjamin ist so erkältet, dass ich ihn heute lieber zu Hause lasse. Der würde sonst nur alle anstecken. Ich wollte einfach kurz Bescheid sagen. Tut mir leid, dass ich erst jetzt anrufe«, ergänzte sie mechanisch und vergaß ganz, sich für die Genesungswünsche zu bedanken.
    Dann drehte sie sich zum Flur um und starrte auf die schmale Tür zwischen dem Büro ihres Mannes und dem Schlafzimmer. Sie hatte ihm dabei geholfen, die zahllosen Umzugskartons heraufzutragen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen lag in dem Ausmaß an Ballast, das sie mit sich herumschleppten. Während sie lediglich ein paar leichte Ikea-Möbel aus ihrem Zimmer im Studentenwohnheim mitgebracht hatte, war er mit allem angekommen, was er im Laufe der zwanzig Jahre angesammelt hatte, die er älter war als sie. Deshalb standen in allen Räumen Möbel aus den unterschiedlichsten Epochen, und deshalb war das Zimmer hinter dieser schmalen Tür voll mit Kartons, von deren Inhalt sie keine Ahnung hatte.
    Ihr sank sofort der Mut, als sie die Tür öffnete und hineinschaute. Der Raum war kaum anderthalb Meter breit, bot aber doch genügend Platz für vier Reihen Umzugskartons nebeneinander und übereinander. Man konnte eben noch über sie hinweg bis zum Velux-Fenster sehen. Insgesamt stapelten sich wohl mindestens fünfzig Kartons in dem Raum.
    Hauptsächlich Sachen von meinen Eltern und deren Eltern, hatte er gesagt. War es nicht langsam an der Zeit, die rauszuwerfen? Er hatte ja keine Geschwister, mit denen er das diskutieren musste.
    Sie blickte auf die Mauer aus Kartons und gab sofort auf. Es machte keinen Sinn, hier nach dem Ladegerät zu suchen. Das hier war ein Raum, in dem die Vergangenheit mit sich selbst eingeschlossen war.
    Trotzdem, dachte sie und betrachtete eingehend einige Mäntel mit riesigen Kragen, die zu einem Haufen zusammengeknäuelt auf den hintersten Kartons lagen. Bildeten die in der Mitte nicht eine Art Beule? Konnte sich darunter etwas verstecken?
    Sie reckte sich über die Kartons, reichte aber nicht bis an die Mäntel heran. Da zog sie sich auf den Berg aus Pappe, kniete sich darauf und kroch nach vorn. Sie hob die Mäntel an und musste enttäuscht feststellen, dass nichts darunter lag. Und dann sank sie plötzlich mit einem Knie durch den Pappkartondeckel.
    Mist,

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