Erlösung
konnte…
Es war früh an diesem Morgen. Nicholas und ich waren die gesamte Nacht unterwegs gewesen, wie immer unablässig auf der Suche nach Vampiren, die sich nicht unter Kontrolle hatten. Gelegentlich trafen wir auch auf Menschen, die sich bei näherer Betrachtung als größerer Abschaum erwiesen als unsere Artgenossen. Einen Sterblichen zu jagen war natürlich keine wirkliche Herausforderung und ein Kampf mit unseresgleichen war weitaus reizvoller, trotzdem musste ich insgeheim zugeben, dass es mir manchmal sehr gelegen kam, wenn ich ein übles Individuum aus dem Verkehr ziehen konnte. Das Blut eines Menschen war nun einmal reiner als das eines Untoten, außerdem liebte ich den samtigen Geschmack. Und die Wärme, die für einen kurzen Augenblick meinen kalten Körper flutete. Die Beute von unserer gestrigen Patrouille hatte mich nicht wirklich zufriedengestellt. Ich war zwar satt, weil ich genügend Vampirblut aufgenommen hatte, um mich zu stärken und den Zerfall meiner Kraft vorübergehend zu blockieren, doch ich war noch immer auf der Suche nach mehr. Oder nach etwas anderem. Nicholas war wieder in unsere momentane Unterkunft zurückgekehrt und ich hatte ihm gesagt, dass ich bald nachkommen würde. Eigentlich hatte ich auch nur ein paar Minuten für mich allein sein wollen. Ich war einfach gelaufen, ohne ein wirkliches Ziel zu haben. London hatte ich nach einer Weile hinter mir gelassen. Ich durchquerte schnell einen kleinen Park, und als ich ein Waldstück betrat, waren meine Schritte auf dem weichen Boden selbst für mich kaum noch zu hören. Irgendwo in der Ferne war dagegen ein Geräusch auszumachen. Ich drehte mich automatisch in die Richtung, aus der es kam. Es klang wie Musik, die dann unerwartet durch ein Kratzen oder Schleifen übertönt wurde. Obwohl ich mich konzentrierte, konnte ich keinen Zusammenhang erkennen. Kein Bild wollte sich in meinem Kopf formen, also pirschte ich mich näher heran. Das Geräusch wurde lauter, es konnte ein Gleiten sein, wie auf… Eis?! Das letzte Stück rannte ich auf einmal, ich wusste nicht wieso, aber es war beinahe so, als würde ich davon angezogen werden. Alles in mir wollte nun wissen, was diesen seltsamen Klang verursachte. Ich stoppte erst, als mir dicht gewachsene Tannen, die durch die Kälte mit Eiskristallen geschmückt waren, den Weg versperrten. Es war kaum möglich hindurchzuschauen, doch mir war klar, dass ich hinter ihnen sehen würde, wer oder was mich anlockte. Ich drängte mich kurzerhand durch das Dickicht, schob störende Äste beiseite und dann hatte ich endlich einen freien Blick. Vor mir lag ein großer See, dessen Oberfläche sich starr und stumpf vor mir auftat, als sei jede Regung für immer aus ihm verschwunden. Nun, nicht ganz. Etwas war auf dem zugefrorenen Wasser. Etwas Lebendiges, das Wärme ausstrahlte und unablässig seine Runden drehte. Und jetzt wusste ich, was mich hierher getrieben hatte. Blut. Die junge Frau bemerkte mich nicht, sie flog mit ihren weißen Schlittschuhen über das Eis. Ob ihr klar war, wie dünn es eigentlich war?
Meine Augen hatten Risse an einigen Stellen erfasst, aber ich wusste nicht, ob sie für einen Menschen überhaupt sichtbar waren. Mein Sehvermögen war bedeutend schärfer und ausgeprägter als bei einem Sterblichen, abgesehen davon schien das Mädchen sowieso zu sehr mit ihrem Tanz beschäftigt zu sein. Ich schüttelte meinen Kopf, weil mich diese Wortwahl irritierte, so ein Ausdruck passte wohl eher zu Nicholas. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass es wahrhaftig aussah, als würde sie über den zugefrorenen See tanzen. Ein klassisches Musikstück drang durch die kleinen Kopfhörer, die sie trug, bis zu mir herüber. Normalerweise hielt ich nicht sonderlich viel von dieser Stilrichtung, obwohl es ihre eleganten Bewegungen perfekt untermalte. Und so sehr es mir auch in jener Sekunde gefiel, sie zu beobachten, es gab für mich keinen plausiblen Grund, um noch länger zu bleiben. Außerdem konnte es sich die Sonne auch wieder anders überlegen, und wenn sie die Wolkendecke erst einmal in die Flucht geschlagen hätte, wäre es für mich zu spät. Ich würde im Schutz der Schattenspendenden Nadelbäume ausharren müssen, im schlimmsten Fall, bis es dämmerte. Also, warum konnte ich mich nicht rühren? Hatte ich wirklich so ein großes Verlangen nach ihrem Blut?
Die junge Frau glitt in einem lang gezogenen Bogen an meiner Seite vorbei, um sich dann auf einmal zu erheben. Eine schnelle Drehung in
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