Erlösung
herunter.
„Wie eine Katze, schon vergessen? Du musst nichts tun, lass dich einfach nur fallen.“ Ich spürte, dass sie sich auch in diesem Moment unsicher fühlte, aber ihr Vertrauen zu mir war stärker als die anderen Empfindungen.
„Wenn ich mich also hinab stürze und nicht auf meinen Beinen lande, dann wirst du mich auffangen, okay?“
Ich nickte. „Das würde ich, doch es ist nicht nötig.“
„Versprich es trotzdem!“, beharrte sie.
„Versprochen.“
Und sie fiel herab. Sie kam mit ihren Füßen auf und auch wenn sie automatisch eine Hand nutzte, um sich am Boden vor sich abzustützen, so hätte sie sie nicht unbedingt gebraucht.
„Sehr gut. Und gleich noch einmal.“ Ohne zu zögern, drehte ich mich zum nächsten Gebäude. Ich kletterte dieses Mal schneller nach oben und wartete, bis Liz mir gefolgt war. Auch sie brauchte noch etwas weniger Zeit als zuvor.
„Du scheinst ein Naturtalent zu sein, mein süßer Engel“, begrüßte ich sie strahlend. Meine Arme legten sich nun um ihre Schultern und ich zog sie fest an mich. „Es tut so gut, dich normal berühren zu können.“
„Du meinst, grob?“ Ihr Lächeln blendete meinen Verstand wie so oft aus.
„Das würde ich nie…“, raunte ich dicht an ihrem Ohr. Als Mensch hätte ihr gesamter Körper auf meine Zuneigung mit einem leichten Zittern reagiert, doch nun schien sich kein einziger Nerv zu regen. Dafür schmiegte sie sich so dicht an mich, dass noch nicht einmal ein Sandkorn zwischen uns gepasst hätte. Ein gutes Gefühl.
„Nein, ich weiß. Du warst nie grob“, sie küsste mich zärtlich. Dann löste sie ihren Mund von meinem und ihre Lippen streiften mein Ohr. „Von nun an gibt es also keine Kontrolle mehr, richtig? Keine Hindernisse? Das finde ich richtig gut.“ Mit einem verführerischen Knurren stieß sie mich spielerisch von sich und in derselben Bewegung drehte sie sich blitzschnell herum. Liz hastete zum Ende des Daches und ohne zu zögern glitt sie über den Rand hinaus. Sie wurde wirklich etwas übermütig, und das gefiel mir.
Ich ging ebenfalls bis zum Ende und spähte über den Sims nach unten. Sie war in die Tiefe gesprungen und jetzt starrten mich ihre funkelnden blauen Augen an.
„Kommst Du?“, rief sie amüsiert hinauf. Ich stieg über den Vorsprung und ließ mich ebenfalls hinab fallen. Ohne ganz in die Hocke gehen zu müssen, landete ich auch hier wieder mühelos auf dem weichen Boden.
„Bei dir sieht das ziemlich elegant aus.“
„Das ist reine Übungssache“, antwortete ich lächelnd. „Du hast eine perfekte Körperspannung, da ist es bloß eine Frage der Zeit, wann du mich neben dir klobig aussehen lässt.“
„Dann habe ich ja noch etwas, auf das ich mich freuen kann.“ Ihr befreites Lächeln erstarb jedoch urplötzlich.
„Was ist?“ Meine Sinne reagierten automatisch und ich konzentrierte mich auf unsere Umgebung. Gab es eine Bedrohung in der Nähe?
„Nicholas“, sie griff behutsam nach meinem Arm und meine Aufmerksamkeit lag wieder auf ihr, „ich muss noch etwas erledigen, was dir bestimmt nicht gefallen wird“, fuhr sie fort. „Ich habe aber das Gefühl oder viel mehr den Drang, es unbedingt noch tun zu müssen.“
„Sag´ mir, was dich bedrückt“, hakte ich nach, als sie stockte. Mit einem Mal wirkte sie fast traurig.
„Ich muss noch einmal zurück nach Cambridge, um Lebewohl zu sagen. Ich möchte mich verabschieden. Ich hätte es wohl früher tun müssen, das ist dumm, ich weiß.“ Ich hatte mich nicht wirklich von meiner Familie oder von meinen Freunden verabschiedet. Mir war diese Möglichkeit verwehrt geblieben, weil ich mich für einen anderen Weg entschieden hatte. Ich hatte den kurzen und schmerzfreien Abgang gewählt, ob er jedoch für meine Mutter und meinen Vater ebenso schmerzfrei gewesen war, stellte ich bis heute infrage. Doch es war zu spät. Zumindest für mich. Deswegen konnte ich Liz diesen Wunsch wohl kaum abschlagen.
„Ich verstehe, dass es dir wichtig ist und ich werde dich dabei natürlich unterstützen.“ So eine Aktion war allerdings auch nicht ungefährlich.
Sie legte ihren Kopf schief. „Da kommt noch was, oder…?“
„Aber wir müssen den Besuch so kurz und vor allem so unauffällig wie möglich halten. Du bist nicht mehr so, wie man dich bisher gekannt hat und für so ein Unterfangen sind gewisse Vorkehrungen zu treffen. Vor allem hoffe ich, dass Michael uns noch einmal abholt. Das ist einfacher und sicherer als ein normaler
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