Erloschen
Polizisten, respektierte sie, bewunderte sie sogar. Wahrscheinlich wäre er selbst einer geworden, hätte er in seinem eigenen Beruf nicht solchen Erfolg. Mittlerweile verdiente er viel zu viel, um über einen Job in dieser Sparte überhaupt nachzudenken. Er war gut in dem, was er tat, sehr gefragt. Und ihm gefiel sein Lebensstil. Er verschaffte ihm reichlich Freiheit, um seinen anderen Interessen nachzugehen, seinen rastlosen Geist zu zerstreuen und seinen von Neugier angetriebenen Abenteuern zu frönen.
Er sah sie den ganzen Block abwandern. Dann drehte sie sich plötzlich um.
Verdammt! Sie ist klasse.
Lächelnd verharrte er im Schatten. Nie hätte er damit gerechnet, hier jemanden zu finden, der sein Interesse weckte. Welch ungewöhnlicher Ort. Diese Polizistin gefiel ihm. Vor allem gefiel ihm, dass sie seine Gegenwart spürte. Dadurch wurde die Sache spannend. Eine Heraus forderung.
Sie war selbstsicher, klug, eigenwillig. Er mochte starke Frauen. Besonders gern hörte er sie schreien.
7
»Hey, alles okay?«
Racine stand direkt neben Maggie. Ihre Stimme klang so ruhig und sanft, dass Maggie sie beinahe nicht erkannt hätte.
Sie hasste diesen Tonfall und den besorgten Blick. Sie fielen ihr auf die Nerven und ließen sie wieder auf Distanz zu den anderen gehen. Seit sie letzten Oktober angeschossen worden war, behandelten zu viele Leute sie, als könnte sie jeden Moment vor ihren Augen zusammenbrechen oder ausflippen. Und sie war es gründlich leid.
»Mir geht’s gut.«
»So siehst du aber nicht aus.« Racine teilte den nächsten Schlag aus. Zumindest fühlte es sich so an.
Maggies beste Freundin, Gwen Patterson, hatte ihr gesagt, sie solle einfach ignorieren, dass alle sie mit Samt handschuhen anfassten. Die Leute waren eben in Sorge um sie. Und reagierte Maggie sauer, würde es ihre Befürchtungen und ihren Verdacht nur bestätigen. Na ja, das Wort »Verdacht« kam von Maggie; Gwen hatte ausschließlich von »Befürchtungen« gesprochen.
»Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen. Da hinten, bei dem Laternenpfahl.«
Sie sah, wie Racine kurz dorthin guckte und sofort wieder zu ihr sah.
Prima! Jetzt würden auch noch alle denken, dass sie paranoid war und halluzinierte.
»Du hast am Telefon von einer Leiche gesprochen«, wechselte Maggie das Thema, und prompt veränderte sich Racines Miene. »Wo ist sie? Können wir sie uns ansehen?«
»Sie liegt zwischen dem brennenden Haus und dem daneben.«
Maggie drehte sich um und ging auf das Absperrband zu, sodass Racine ihr folgen musste und sich nun hoffentlich wieder mit dem Tatort befasste statt mit Maggies neu entdeckter Verwundbarkeit.
»Wir müssen warten, bis die Schlauchaffen fertig sind«, sagte Racine. »Hoffen wir, dass die nicht alles wegspülen und sämtliche Spuren zertrampeln. Sie behaup ten, jetzt wäre es noch zu gefährlich, in die Gasse zu gehen.«
Racine zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme, als machte sie sich auf eine längere Wartezeit gefasst.
Maggie wollte sie fragen, warum sie dann nicht später angerufen oder ihr gesagt hatte, sie bräuchte sich nicht zu beeilen.
Ihre Geduld mit Racine war schnell erschöpft. Meist hing sie sowieso an einem seidenen Faden. Maggie war nicht mal sicher, wieso sie nach fünf Jahren immer noch so gereizt auf den Detective reagierte. Schließlich hatten sie sich quasi angefreundet … irgendwie.
Anfangs hatte Racines skrupelloses Taktieren an Maggies Nerven gezerrt. Die junge Polizistin hatte sich dauernd in den Vordergrund gedrängt, war unnötige Risiken eingegangen und hatte sich äußerst dreist und angriffslustig aufgeführt, als müsste sie auf diese Weise die Tatsache kompensieren, dass sie eine Frau war. Ebenso gut hätte sie in einem fort schreien können: »Ja, ich bin eine Frau, na und?«
Angesichts ihrer offenen Jacke fragte Maggie sich nun, ob Racine ihre Marke und die Waffe zeigen wollte oder ihre großen Brüste unter dem engen Strickpulli. Oder beides, als eine Art Dauerprovokation. Es war Racines Version von Dirty Harrys »Nur zu, versüß mir den Tag«.
Maggie ging ihren Job vollkommen anders an. Sie versuchte, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu lenken, unauffällig zu bleiben, indem sie ihre Hosenanzüge dem Stil ihres Vorgesetzten anpasste. Sie absol vierte mehr Schießübungen als vorgeschrieben, trainierte und hielt sich in Form, damit sie sich selbst verteidigen und ihrem Partner Rückendeckung geben konnte. Sie wollte keine Sonderbehandlung.
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