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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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nicht aus ihrer Deckung zu stürzen und zu Annika zu eilen. Die Sirene näherte sich aus Richtung der Luisenstraße. Der Sprinter hielt vor dem Haupttor, das Blau auf dem Dach zuckte weiter im Mittagslicht, aber das Martinshorn verstummte. Die Beifahrertür ging auf, und ein Arzt sprang mit der Notfalltasche heraus. Er ging zum Heck des Wagens, wo ihn sein Rettungsassistent schon erwartete, und zusammen holten sie eine Trage heraus und liefen damit über den Kiesweg zu dem offenen Grab.
    Gleich darauf waren nur ihre Rücken in den roten Westen noch zu sehen zwischen den Trauergästen und den ersten Schaulustigen, die rings umher auftauchten und sich langsam näherten wie Zombies. Ella griff nach dem Ahornstamm. Ihr war auf einmal übel, als drücke ihr etwas von unten gegen den Magen. Sie starrte auf die Trauergäste, die ihr den Blick verstellten, und plötzlich teilten sie sich, und die reglose Annika schwebte hoch, getragen von vier Händen.
    Sie wurde auf die Trage gelegt, kein Sauerstoff, dann liefen die beiden jungen Sanitäter mit ihr zum Wagen und wuchteten sie hinten auf die Ladefläche. Aziz folgte ihnen, schon wieder mit dem Handy am Ohr. Bevor sie abfuhren, redete er auf den Beifahrer ein, der mehrmals nickte.
    Â»Sie bringen sie bestimmt zur Charité«, sagte Ella. »Ich muss wissen, was mit ihr los ist.«
    Â»Du kannst doch jetzt nichts für sie tun«, sagte Dany voll
ungeduldiger Schärfe. »Forell hat gesagt, er beobachtet den Anlegesteg, und wenn wir nicht bis zwei Uhr an Bord gehen, lässt er das Treffen platzen. Dass er sich überhaupt mit uns trifft – dass er dich nicht für eine Mörderin hält –, dass er mir glaubt, dass es diese DVD mit Mados Aussage gibt und dass sie eine Gefahr für ihn darstellt, ist mehr als wir uns erhoffen konnten.«
    Â»Geh allein«, sagte Ella. »Erzähl mir, was er gesagt hat.«
    Â»Er ist misstrauisch und ohne dich gibt es kein Treffen, das hat er gesagt vorhin am Telefon. Wir müssen vor denen mit ihm reden. Irgendwann werden sie seinen Namen herausfinden, vielleicht haben sie das schon.«
    Sie hatte es nicht vergessen, und sie wusste, dass er recht hatte. Sie sah, wie der Rettungswagen abfuhr, wieder mit eingeschaltetem Martinshorn, und sie sah, wie auch Aziz den Friedhof verließ, und da fiel ihr wieder ein, dass er auf ihrem Anrufbeantworter gewesen war, es haben sich noch einige Fragen ergeben, die wir gern mit Ihnen klären würden . Er hatte ihr sogar seine Handynummer genannt, aber sie war zu kopflos gewesen, um sie zu notieren.
    Â»Du kannst Annika im Krankenhaus anrufen nach unserem Treffen mit Forell«, sagte Dany. »Sobald die Ärzte sie untersucht haben und sie wieder bei Bewusstsein ist.«
    An der Grabstätte hatte der Totengräber angefangen, die Erde in die Grube zu schaufeln. Der Priester und die anderen, die gekommen waren, um von Max Abschied zu nehmen, gingen bereits langsam zum Friedhofsausgang. Auch die Schaulustigen zerstreuten sich wieder. Ella wäre gern noch einen Moment mit Max allein gewesen, nur kurz. Aber was sie ihm noch sagen wollte, hatte nun keine Eile mehr, und sie konnte immer noch herkommen, wenn alles vorbei war.

28
    Unter der Jannowitz-Brücke wurde das Turbinengeräusch lauter, und die Bugwelle des Boots schlug gegen den Betonpfeiler in der Mitte des Flusses. Im Schatten der Brücke war die Luft kühl, aber dahinter lag die Nachmittagssonne wieder gleißend auf dem Wasser, nur die Konturen der Gebäude am Ufer waren schärfer geworden. Sie passierten die Brücke bereits zum zweiten Mal, und noch immer gab es kein Zeichen von Professor Forell. Nehmen Sie die Rundfahrt, die mittags an der Anlegestelle im Nikolaiviertel startet und bleiben Sie an Bord, bis ich Kontakt mit Ihnen aufnehme, hatte er Dany aufgetragen, mit einer Stimme, die gewohnt war, dass man ihren Anordnungen Folge leistete.
    Ella und Dany waren gleich nach Betreten des Boots ganz nach hinten gegangen, wo sie im Freien saßen und die anderen Passagiere im Blick hatten. Die Bänke vor ihnen waren voll besetzt: eine Gruppe schnatternder Japaner mit ihren Kameras, mehrere ältere Amerikaner in roten und blauen Windjacken, komplett mit Rucksäcken, Baseballcaps und luftgepolsterten Laufschuhen; eine Schulklasse: kleine Mädchen mit Kopftüchern, lärmende Jungen mit Kapuzenjacken oder tief ins Gesicht gezogenen Wollmützen. Eine

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