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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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berührte, um sich abzustützen. Als er sie erreicht hatte, konnte Ella sehen, dass die Haare unter dem Hut bereits silbrig waren; fünfundfünzig, dachte sie, vielleicht sogar sechzig. Seine Haut war von einem weißlichen Grau, sein Mund auf einer Seite herabgezogen, als hätte er vor nicht allzu langer Zeit einen leichten Schlaganfall erlitten. Die Augenbrauen standen in erstaunten Büscheln von der Stirn ab. Die Iris darunter erinnerte an helle Oliven, winzig klein und in Calvados eingelegt.
    Â»Eduard Forell«, stellte er sich vor, ohne ihr die Hand entgegenzustrecken. »Danke, dass Sie solange gewartet haben.« Er nahm neben Ella auf der Bank Platz und klemmte sich die gefütterte Jiffy-Tasche zwischen die Oberschenkel. »Ich musste ganz sichergehen.«
    Â»In welcher Hinsicht?«, fragte sie.
    Â»In jeder Hinsicht.« Forell hob den zusammengerollten Independent zum Schutz gegen die bereits tiefer stehende Sonne oder die Blicke unsichtbarer Beobachter. »Bevor ich heute Morgen aus dem Haus gegangen bin, habe ich noch einmal in der Kanzlei von Doktor Freyermuth angerufen, wo es von Polizisten nur so wimmelte. In der Nacht hat es dort vier Tote gegeben, drei Polizeibeamte und ein Juniormitglied der Sozietät. Der Tresor ist geöffnet worden, angeblich sind einige Hunderttausend Euro daraus verschwunden. Zurzeit werden die Aufnahmen der Überwachungskameras ausgewertet. Ich musste sichergehen, dass es Ihnen wirklich wichtig ist, mit mir zu sprechen. « Er blinzelte. »Sie waren wohl nicht gestern Nacht bei Freyermuth, Herzog & Conradi am KuDamm?«

    Â»Doch«, sagte Ella, lockerte den Schal und zeigte ihm die Druckstellen von Kleists Händen an ihrem Hals. »Einer der toten Polizeibeamten hat versucht, mich umzubringen. Macht Ihnen das nicht auch Angst?«
    Forell ließ die Zeitung sinken, und einen Augenblick lang sah er verwirrt aus. »Mein Gott«, murmelte er so leise, dass es fast im Geräusch der Turbinen unterging. »Ich hätte nicht gedacht, dass es jemals so weit kommen würde …«
    Â»Madeleine Schneider hat im Zusammenhang mit Ihnen von einer Aufnahme gesprochen«, sagte Ella und rückte den Schal wieder zurecht. »Mit der Sie die Ausführung eines Plans verhindern – «
    Der Professor fiel ihr ins Wort. »Sie hat versprochen, niemandem – «
    Â»Das hat sie auch nicht«, unterbrach Ella ihn. »Es war auf der DVD, die sie Freyermuth geschickt hat.«
    Â»Kann ich sie sehen?«, fragte er hastig. »Haben Sie sie dabei?«
    Â»Nein«, sagte Ella. »Wir wollten auch sichergehen.«
    Â»Sie können sie sehen, wenn Sie uns sagen, was Mado Ihnen gegeben hat«, schaltete Dany sich ein. Er beugte sich vor, um an ihr vorbei mit Forell sprechen zu können. »Mado musste nicht sterben, weil sie zu viel wusste«, sagte er. »Sie musste sterben, weil sie zu wenig wusste. Sie hat Ihnen etwas mitgebracht, aber erst zu spät gemerkt, dass sie damit die Büchse der Pandora geöffnet hatte, ohne zu ahnen, was sie enthielt. Aber immerhin eins ahnte sie, nämlich, dass Sie, Monsieur le Professeur , sehr wohl wussten, was in der Büchse war. Und dass Sie mit dem, was Sie wissen oder mit dem, was sie Ihnen in die Hand gegeben hat, diese Büchse möglicherweise wieder schließen können.«
    Â»Sie hätte sich vielleicht freikaufen können«, ergänzte Ella, »ihr Leben retten, indem sie einfach Ihren Namen nennt. Aber das hat sie nicht getan. Sie ist auch für Sie gestorben . «
    Forell blinzelte wieder; es schien sich um einen nervösen
Tick zu handeln. »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erklärte er bestimmt. »Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil Sie sich irren: Ich weiß nichts.« Er hob wieder die Zeitung, um sich gegen die blendende Sonne zu schützen.
    Das Boot fuhr an der Kirche vorbei, dann an einem zum Ufer hin abfallenden Park. Die Fotohandys über den Bänken vor ihnen richteten sich auf sonnengebräunte junge Frauen, die mit angewinkelten Beinen und lose über die Brustgegend drapierten Bikinioberteilen im Gras lagen.
    Â»Bitte, verzeihen Sie – es ist schrecklich, was mit Mademoiselle Schneider passiert ist.« Der Professor schüttelte sacht den Kopf, die Olivenaugen drohten einen Moment, im Calvados zu ertrinken. »Ich habe sie aufrichtig ins Herz geschlossen. Sie war so eifrig …«
    Â»Haben Sie keine Angst?«,

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