Erlosung
Bach?«, rief Aziz. Er blickte sich um, die StraÃe hinauf und hinunter, warf einen Blick auf die Chinesische Botschaft. Dann sah er wieder auf seine Uhr. Schaute herüber, versuchte zu erkennen, was im Schatten unter den Bäumen passierte.
Ella riss sich los und lief auf Aziz zu. Sie hörte Schröder hinter sich und lief weiter, auf die StraÃe. Aziz erblickte sie, aber im
selben Moment erblickte er auch Schröder, der unter den Bäumen hervor ins Licht der StraÃenlaterne trat. Ella war jetzt so nah an Aziz, dass sie den Moschus in seinem Eau de Toilette riechen konnte. Dann sah sie den Wagen, der hinter ihm am StraÃenrand stand: ein grauer Audi.
Ella erstarrte. Schröder folgte ihr langsam, beide Hände in den Taschen seines Trenchcoats. »Kommen Sie her, Doktor Bach!«, sagte er. »Kommen Sie zu mir!«
Aziz rührte sich nicht. »Lass uns reden, Matze«, sagte er.
Schröder schüttelte den Kopf. »Zu spät«, sagte er nur. Seine rechte Hand in der Manteltasche bewegte sich. Aziz bemerkte die Bewegung und griff nach der Pistole in seinem Schulterhalfter. Alles an ihnen wirkte in dem fahlen Licht seltsam steif, als wären sie nicht wirklich, nicht aus Fleisch und Blut, sondern von einem Computer simuliert. Aziz war schneller. Er zog und drückte ab, fast mit ausgestrecktem Arm, bevor Schröder seine Waffe halb aus der Manteltasche hatte. WeiÃe Blitze zuckten auf, und Ella konnte sehen, wie die Kugeln Schröders Trenchcoat zerfetzten und in die Hemdbrust darunter schlugen.
Aziz lieà die Pistole sinken und sagte: »Es tut mir leid, Doktor Bach, ich wünschte, Sie hätten das jetzt nicht sehen müssen. «
»Ich dachte, Sie â Sie â «
»Ja, das dachten Sie.« Aziz steckte die Waffe nicht zurück in das Schulterhalfter. »Entschuldigen Sie, dass ich mich verspätet habe. Jemand hat einen meiner Vorderreifen zerstochen. Ich musste ihn erst wechseln.« Er ging zu Schröder, der mit dem Rücken auf dem Asphalt lag, sah auf seinen Partner hinunter, ein paar Sekunden nur, dann schoss er ihm noch eine Kugel in die Stirn.
In dem Botschaftsgebäude ging hinter einem weiteren Fenster das Licht an. An der Seite des rechten Flügels wurde eine Tür geöffnet, und zwei Männer in schwarzen Anzügen tauchten
im Türrahmen auf und näherten sich einem Tor im rückwärtigen Teil des Zauns.
Aziz steckte seine Pistole ein. Als die beiden Männer das Tor erreicht hatten, wandte er sich von Schröder ab und sah Ella an. »Er war ein guter Polizist. Er hat Sie fast im Alleingang entlastet und nur den einen Fehler begangen, dass er mit den falschen Leuten darüber gesprochen hat. Am Anfang war er noch auf Linie, da dachte er, Sie wären schuldig, genau wie es aussah und aussehen sollte. Und wenn Sie uns nicht jedes Mal entwischt wären â¦Â«
Er trat langsam auf sie zu. »Irgendwann haben wir ihn dann verloren, keine Ahnung, wann und warum. Spielt aber auch keine Rolle mehr. Gott sei Dank hat er mir lange genug vertraut und sich ganz auf Kleist und seine Leute konzentriert, wenigstens dachte ich das ⦠Junge, Junge, Sie habenâs mir ganz schön schwer gemacht.«
Ella blickte auf Schröders Leiche und fragte sich, was in den letzten Tagen mit ihr geschehen war, dass sie so ruhig auf einen zerstörten Körper blicken konnte. »Wie wäre es denn so rum?: Sie haben mir das Leben zur Hölle gemacht!«, sagte sie.
Aziz griff in die Innentasche seines Mantels. Er stand so dicht vor ihr, dass sie im Braun seiner Augen winzige schwarze Punkte erkennen konnte wie die mikroskopisch kleinen Spuren, die seine ganzen Verbrechen für immer tief in seiner Seele hinterlassen hatten. Die Hand, die in der Innentasche seines Mantels verschwunden war, kam mit einem durchsichtigen Plastibeutel wieder zum Vorschein, den er nun öffnete, um ein weiÃes Tuch herauszuholen. Blitzschnell presste er Ella das Tuch gegen Mund und Nase, bis alles, was sie noch sehen konnte, undeutlich wurde und dann ganz verschwand und nichts mehr blieb als die Dunkelheit in ihr.
ANNIKA
36
Das Grauen, das mich beim Anblick der Ermordeten ergriff, lässt sich kaum beschreiben. Wie ein Schlafwandler ging ich durch das Haus, und mit jedem Schritt schien es mir, als tauchte ich tiefer in einen Albtraum. Blut war überall, auf den Teppichen, in den Vorhängen, es rann von den Möbeln und klebte an
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