Erlosung
jetzt fand sie noch, dass er verdammt anziehend war, aber nicht mehr interessant, nicht mehr liebenswert. Wütend griff sie nach dem Stick und steckte ihn ein. »Sie hat ihn dir gegeben? Freiwillig?«
»Das spielt doch keine Rolle.« Endlich zog er seine Hand zurück und steckte sie in die Jackentasche. »Ich habe ihr nicht wehgetan. Ich mag sie, wenn auch nicht so sehr wie dich â «
»Nein«, sagte Ella, »nicht so sehr wie mich. Für mich setzt du ja dein Leben aufs Spiel und â «
»Das tue ich auch«, sagte er erregt. »Ich habe Kleist und einen seiner Männer getötet, glaubst du, das lassen sie mir einfach so durchgehen?« Er sah auf seine Armbanduhr. »Ella, bitte, fahr nicht nach Mont Saint-Michel! Sie verfolgen dich und den Citroën mit einem satellitengestützten Ortungssystem. Sie sind über jeden deiner Schritte informiert, sobald du ihn auch nur in Erwägung ziehst, und die Leute, die dich auf der Insel erwarten, haben den Auftrag, dich umzubringen, nachdem du Lazare angelockt hast.«
Er hatte wahrscheinlich recht, dachte Ella müde und nicht einmal besonders überrascht; wahrscheinlich war es so, wie er sagte, aber sie musste trotzdem mitspielen, sich an den Plan halten, ihren Auftrag erfüllen. »Geh zum Teufel«, sagte sie leise. »Du hast mir das Leben gerettet, ja? Vielleicht wäre es gar nicht in Gefahr gewesen, wenn du deine Leute in Paris nicht über jeden meiner Schritte auf dem Laufenden gehalten hättest. Vielleicht hätte der Motorradfahrer bei dem Treffen mit Freyermuth nicht auf mich geschossen und Kleist nicht versucht, mich zu erwürgen. Vielleicht wäre auch der Anwalt noch am Leben und der Voyeur und Professor Forell â «
Sie unterbrach sich selbst, denn plötzlich sah sie noch etwas ganz deutlich vor sich, den grauen Audi hinter Forells Kapelle und den gleichen Wagen vor der Chinesischen Botschaft. »Wer
hat ihn getötet? Forell, meine ich. Du warst plötzlich nicht zu erreichen, angeblich hatte die Polizei dich abgeholt â «
Dany wirkte, als würde er sie am liebsten schütteln. »Ella, in diesem Moment fragt sich gerade jemand bei Rochefort & Co., warum du dich so lange an dieser Tankstelle aufhältst â «
Sie sah jetzt ebenfalls auf ihre Uhr. »Ich habe noch Zeit«, sagte sie, von unheimlicher Ruhe erfüllt. »Ich habe genug Zeit, dir zuzuhören â es ist ja das letzte Mal, und es sind nur noch ein paar Stunden bis zur Küste. Du bist gar nicht im Hotel von der Polizei abgeholt worden, am Abend von Forells Ermordung, stimmtâs?«
»Nein.« Er sprach weiter, jetzt wieder, ohne sie anzusehen, als schämte er sich tatsächlich dafür. »Ich habe den Portier bezahlt, damit er das sagt, falls du von deinem Treffen mit Annika zu früh ins Hotel zurückgekommen wärst. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du noch in der Nacht rausfährst zu Forell. Dass er dich anruft, bevor wir uns um ihn gekümmert hatten. Ich musste verhindern, dass Forell dir am nächsten Tag das Objekt übergab, von dem wir inzwischen wussten, dass es sich in seinem Besitz befand. Die Deutschen hatten am Nachmittag alles durchsucht, ohne etwas zu finden.«
Er war es, dachte Ella plötzlich, er hat Forell umgebracht. Wenn es Aziz gewesen wäre, hätte er mich nicht irgendwohin bestellen müssen; er hätte mich dort betäuben und kidnappen können. »Du warst es«, sagte sie.
Er redete weiter, als hätte er sie gar nicht gehört. »Als du dann versuchte hast, mich zu erreichen, dachte ich, gut, die Polizei ist ein prima Alibi. Auf meiner Mailbox war aber auch der beunruhigte Anruf von Annika. Ich rief sofort in Paris an und erfuhr, dass die Firma in der Zwischenzeit einen neuen Plan entwickelt hatte â einen Plan, in dem du plötzlich eine andere Rolle spielen solltest, und diese Rolle verlangte es, dass du noch nicht sterben durftest. Man konnte dir so viel in die Schuhe
schieben â erst Mado, dann Max Jansen. Danach den Wirtschaftsanwalt, Forell. Sogar Lazares Geliebte, Nicolette Marceau, die sie auch erst nach anderthalb Wochen getötet hatten, als sie eine Stelle in dem Puzzle fanden, an den ihr Tod passen würde.« Er hielt inne, warf ihr einen raschen Blick zu. »In dieser Nacht ist mir etwas klar geworden. Ich wollte, dass du am Leben bleibst, damit ich weiter mit dir zusammen sein
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