Erlosung
Kiosk mir am Telefon gesagt haben, wo du steckst und was mit dir los ist. Ich wollte verhindern, dass Aziz oder einer der anderen in Berlin dich findet und auch umbringt.«
»Weil du mich ja so magst, fast so sehr wie Ella«, sagte Annika und starrte die Rosenknospen an .
»Weil es schwer gewesen wäre, diesen Mord jemandem in die Schuhe zu schieben«, fuhr Dany fort, »Ella war ja schon in Paris. Und sie stand dir so nah, dass dann vielleicht doch jemand misstrauisch geworden wäre und angefangen hätte, nach anderen Verdächtigen zu suchen. Ein Polizist wie Hauptkommissar Schröder, der nicht von Birnam Forrest bezahlt wird. Schröder haben sie verschwinden lassen â angeblich hat er einen Haufen
Geld aus der Asservatenkammer geklaut und sich damit abgesetzt. Dich habe ich verschwinden lassen, mitsamt den Aufzeichnungen, aber du bist am Leben, das ist doch was.«
»Die reine Poesie«, murmelte Annika. Ihr Blick fiel auf das Titelblatt von Le Monde , den Eiffelturm mit den Chinesen davor, und plötzlich hatte sie das Gefühl, etwas zu begreifen, ohne genau zu wissen, was. »Welche Rolle spielen eigentlich die Chinesen bei der ganzen Sache?«, fragte sie ins Blaue hinein.
»Was für Chinesen?«
»Aziz hat von Ella verlangt, dass sie sich vor der Chinesischen Botschaft treffen, und gleich danach ist sie verschwunden«, sagte Annika. »Kommissar Schröder ist dort erschossen worden und nie wieder aufgetaucht, wie du gerade gesagt hast. Als ich dir sagte, wohin Aziz Ella bestellt hatte, wusstest du sofort, was zu tun war, wen du anrufen musstest. Also â «
»Vergiss die Chinesen!« Das Motorengeräusch erstarb, und die plötzliche Stille war wie ein weiÃes Loch. »Ich meine es ernst, vergiss sie, bitte!« Sie hörte, wie eine Tür geöffnet wurde. »Ich bin da. Scheint alles dunkel zu sein. Drück die Daumen, dass Mado noch lebt. Denn wenn sie nicht mehr lebt, bedeutet das, dass Ella die Nächste sein wird.«
Die Verbindung brach zusammen, und das weiÃe Loch wurde riesig. Wo ist die Grenze? , dachte Annika. Sie war der Wachtposten, aber sie wusste nicht mehr, wo die Grenze war.
44
Als die Kerzenverkäuferin bei Ella war, zog sie die Hand wieder aus der Basttasche, und darin hielt sie nichts als ein Bronzemedaillon mit der Gestalt des Erzengels Michael. Sie lächelte und sagte etwas, das wie » Venez avec moi « klang, aber so leise, dass es kaum zu verstehen war. Im selben Moment ging ein weiteres Mal die Tür zur StraÃe auf, und der Mann mit dem Hauttransplantat stand auf der Schwelle. Ella warf einen gehetzten Blick in die Runde, zur Küche hinüber, zur Toilette. Der Fischer, der eben noch auf sie eingeredet hatte, war plötzlich verschwunden. Keiner der anderen Gäste achtete auf sie. Ihre Gespräche, das Lachen und die laute Musik erschienen ihr plötzlich schrill, verzerrt. Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, stattdessen folgte sie der Kerzenverkäuferin.
Kurz bevor sie den Eingang erreichten, erschien ein heftig atmender Mann in der schwarzen Kutte eines Benediktinermönchs auf der Schwelle. Sein kahl rasierter Schädel glänzte vor SchweiÃ. Er sah zuerst die Kerzenverkäuferin, dann Ella, und noch bevor er den Mann mit dem Hautransplantat erblickt hatte, war ihm die Situation klar. Er trat auf Ella zu, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie durch den Raum zurück zum Tresen. »Frère Rémy, bonsoir« , begrüÃte ihn der Schankkellner freundlich. » Un petit calvados? «
» Non, merci, Baptiste« , antwortete Frère Rémy, beugte sich über den Tresen und sagte etwas zu dem Kellner, der sofort nickte und die Tür gleich neben dem Tresen öffnete.
Der Mann mit dem Hauttransplantat und die Kerzenverkäuferin verharrten abwartend beim Eingang, unsicher, wie sie reagieren sollten. Der Mann holte sein Handy hervor, ohne Ella und den Geistlichen aus den Augen zu lassen; nur das Lächeln war von seinen Lippen gewichen. Frère Rémy ergriff Ellas Hand und zog sie in die von Essensdunst, Hitze und dem Gebrüll der beiden Pfannen schwingenden Köche erfüllte Küche. Eilig durchquerten sie den schmalen Raum und verlieÃen ihn wieder durch die Hintertür.
Eine Handvoll Stufen führte zu einer dunklen Gasse hinunter, die auf der anderen Seite von einer Festungsmauer begrenzt war. Durch die SchieÃscharten
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