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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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das von Mado.«
    Â»Weil du es schon einmal gerettet hast und nicht willst, dass die ganze Mühe umsonst war?«

    Ella verzog keine Miene. »Weil ich Superdoc bin.« Sie nahm den letzten Bissen von ihrem Sandwich. »Aber ich weiß nicht, wie ich das eine und das andere schaffen soll. Versuch doch noch mal, Dany zu erreichen.«
    Annika versuchte es noch einmal, und er meldete sich wieder nicht, und diesmal konnte sie auch keine Nachricht hinterlassen. Sie verstaute das Handy wieder in der Tasche, dann musterte sie Ellas Gesicht. »Ich sag dir das nur ungern, aber du siehst echt beschissen aus. Geht dir nicht besonders gut, was?«
    Ella schüttelte den Kopf. »Meine Hüfte bringt mich um«, sagte sie lakonisch. Sie sah auf ihre Uhr. Es war beinahe halb zehn.
    Der Regen fand seinen Weg durch die Markise über den Tischen draußen und lief in kleinen Rinnsalen an der Glasfront des Bistros herab. Auf der anderen Seite des Platzes trafen nach und nach die Aktionäre der Banque National d’Alsace ein, einige in Limousine, ein paar zu Fuß, aber die meisten in Bussen. Sie strömten durch den Haupteingang ins Foyer und Ella musste an die Wallfahrer denken, die sich auf Mont Saint-Michel durch die Porte de l’Avancée gedrängt hatten, nur dass die hier nicht sangen.
    Â»Ich verschwinde mal kurz«, sagte sie. »Leihst du mir dein Schminkzeug?«
    Â»Ich komme mit«, verkündete Annika. Sie gingen zur Toilette, die gerade Platz für eine von ihnen bot, zwängten sich aber beide hinein. »Lass mich mal deine Wunde sehen.« Ella zog Jacke, Pullover und Bluse aus. Annika sagte nichts, atmete nur kurz etwas schärfer. Sie hob den Notfallkoffer auf das Waschbecken, öffnete ihn und nahm Jod, Verbandszeug und Pflaster heraus. »Sieht aus, als könnte die Wunde jeden Moment wieder aufplatzen.«
    Â»Kleb einfach was drauf«, sagte Ella.
    Annika reinigte die Wunde, legte einen neuen Verband an
und klebte ein Pflaster darüber. »Lange hält das nicht, also am besten keine heftigen Bewegungen.« Sie schloss den Koffer wieder. »So, und jetzt nehmen wir uns dein Gesicht vor, nur für den Fall, dass du nicht erkannt werden willst.« Sie holte ein Kosmetikset aus ihrem Rucksack und fing an, Ella zu schminken, erst die Augen, danach die Wangenknochen, zuletzt die Lippen. »Ich weiß gar nicht, was die Asiaten haben – ist doch halb so schlimm, sein Gesicht zu verlieren. So, und da wäre dein neues.«
    Ella betrachtete sich in dem Spiegel über dem Waschbecken. Sie erkannte sich selbst kaum wieder, die Augen waren kleiner geworden, die Lider heller, die Lippen schmaler, die Wangen fast hohl, dafür schienen die Wangenknochen hervorzutreten.
    Â»Licht und Schatten«, sagte Annika. »Warte, ich muss noch was mit den Haaren machen.« Sie holte eine kleine Schere aus dem Etui und sagte: »Kopf runter!«
    Als Ella kurz danach den Kopf wieder hob, hatte sie nichts mehr auf dem Kopf, das in irgendeiner Form Ähnlichkeit mit einer Frisur aufwies; das ganze Haar war struppig kurz geschnitten wie eine schlecht gemähte Wiese. Sie setzte eine billige Brille auf, die sie an einer Tankstelle hinter Le Mans gekauft hatte. Dann zog sie die weiße Arzthose und die rot-weiß-blaue Schutzweste an. An der Brust der Weste haftete sogar noch ein Namensschild, Dr. Chappelle . Jeder, der sie nur von Fotos kannte, würde Mühe haben, sie zu erkennen.
    Sie liefen durch den pladdernden Regen zum Wagen, wendeten und schlossen sich den anderen Fahrzeugen an, die in die Tiefgarage des Kongresszentrums fuhren. An der Einfahrt zur Garage standen zwei Männer in dunklen Anzügen neben der schnell rauf und runter klappenden Schranke. Die Männer sprachen in ihre Walkie-Talkies. Ella konnte ihre Gesichter nicht erkennen, nur verschwommene Silhouetten hinter dem über die Scheiben strömenden Wasser.

    Sie sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war kurz vor zehn. Sie steuerte den Renault durch die gut beleuchtete Tiefgarage, bis sie einen Stellplatz neben einem Maserati fand. Sie zog den Schlüssel ab, griff nach der Notfalltasche und sagte: »Also dann.« Sie stiegen aus und gingen zum nächsten Fahrstuhl. »Ich nehme die Treppe«, sagte Ella.
    Neben dem Liftknopf für den ersten Stock über dem Haupteingang befand sich ein Schild Les Boutiques . »Ich brauche noch ein neues Aktionärs-Outfit, vielleicht was

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