Erlosung
einer Patientin war nicht die Rede.« Die Schwester nahm den Platz des Oberpflegers ein, der sich mit einem Nicken entfernte. »Sie sagten, Sie würden es bei Ihnen zu Hause versuchen, aber falls wir Sie hier eher zu Gesicht bekämen, sollten wir Ihnen auf alle Fälle â «
»Ja, gut. Ich rufe gleich an«, sagte Ella. »Ich war heute noch nicht zu Hause.« Sie betrachtete die Karte, die weder Namen noch Dienstrang oder Adresse des Beamten aufführte, auch kein Revier, nur die von Hand geschriebenen Ziffern. Sie holte ihr Handy aus der Tasche des ungebügelten beigen Leinenjacketts, das sie letzte Nacht zusammen mit einer Jeanshose und einem hellblauen T-Shirt in ihrem Rucksack dabeigehabt hatte. Sie wählte die Nummer, und während sie auf die Verbindung wartete, ging sie vor die Tür, wo sie im Schatten des Vordachs stehen blieb.
Am anderen Ende der Leitung wurde nach dem ersten Freizeichen abgehoben. »Polizeidirektion 5, Abschnitt 52«, sagte eine Männerstimme.
»Mein Name ist Doktor Bach, Ella Bach«, sagte sie. »Sie haben um Rückruf gebeten.«
»Einen Moment, ich verbinde.«
Nach einer kurzen Pause, ausgefüllt mit fast vollkommener Stille, meldete sich eine andere Männerstimme: »Hauptkommissar Kleist.«
»Ella Bach. Sie wollten mich sprechen?«
»Ja, danke, dass Sie zurückrufen, Doktor Bach. Es geht um den Vorfall in der Ohnesorg-StraÃe 7 heute Nacht. Sie hatten dort einen Notarzteinsatz?«
»Ja.«
»Wir würden uns gern persönlich mit Ihnen darüber unterhalten. « Einen Moment klang seine Stimme undeutlich, als spräche er nicht mehr direkt in den Hörer, dafür hörte Ella ein Rascheln wie von einem Blatt, das von einem Block gerissen wurde. »Wir haben schon versucht, Sie zu Hause zu erreichen. Können wir zu Ihnen kommen? Wo befinden Sie sich gerade?«
»Auf dem Campus Mitte der Charité. Ich wollte mich nach dem Zustand des Opfers erkundigen, aber es scheint, als â «
Hauptkommissar Kleist sagte: »Genau darüber möchten wir mit Ihnen reden. Können Sie dort auf uns warten? Es dauert nicht lange, wir sind ganz in der Nähe.«
Auf der StraÃe näherte sich ein Linienbus und hielt ein paar Meter von der Rampe entfernt. Die aussteigenden Fahrgäste hatten den gleichen verstörten Gesichtsausdruck wie die Wartenden auf den Bänken der Notaufnahme. Ella ging ein paar Schritte, um ihnen nicht im Weg zu stehen.
»Hallo, sind Sie noch da?«, fragte der Hauptkommissar.
»Ja«, sagte sie. So wie seine Stimme klang, schien er mit einem Handy zu telefonieren und sich dabei von einem Ort zum anderen zu bewegen, denn die Hintergrundgeräusche änderten sich, als ginge er aus einem geschlossenen Raum über freies Gelände in einen anderen geschlossenen Raum.
»Mit wem auÃer uns haben Sie noch über den Vorfall gesprochen? «, fragte er jetzt.
Ella sagte: »Mit niemandem auÃer unserer Leitstelle. Als ich darum gebeten habe, Sie zu informieren, damit Sie â hallo ?«
Eine Autotür schlug zu, ein Motor wurde gestartet, irgendwo dort, wo der Hauptkommissar sich gerade befand. »Ich bin noch da«, sagte er. »Hat die Patientin auf der Fahrt in die Klinik noch etwas zu Ihnen gesagt?«
»Das müssen Sie meinen Rettungsassistenten fragen. Er saà hinten bei ihr.«
»Max Jansen?«
»Ja. Aber ich glaube nicht, dass sie noch etwas sagen konnte in der Verfassung, in der sie war. Sie hatte viel Blut verloren und â «
»Wir haben schon mit ihm gesprochen. War er allein hinten bei ihr?«
Was sind das für komische Fragen? , dachte Ella; warum will er das wissen? »Ja.«
»Wissen Sie, ob sie in der Klinik noch mit jemand sprechen konnte?«, fragte der Hauptkommissar.
»Nein, wie ich schon sagte, war sie nicht in der â «
»Und wer den Notarzt gerufen hat, wissen Sie das?«
»Nein. Es war ein anonymer Anruf.«
»Warum hat man gerade Sie dorthin geschickt? Kreuzberg gehört nicht zu Ihrem Einsatzgebiet, oder?« Das Motorengeräusch veränderte sich, der Wagen fuhr jetzt offenbar.
»Es war ein Blitzeinsatz«, erklärte Ella. »Wir hatten uns kurz vorher frei gemeldet, und die näher gelegenen Kliniken hatten alle Wagen im Einsatz.«
»Ich verstehe«, sagte der Hauptkommissar. »Haben Sie etwas aus der Wohnung
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