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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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mitgenommen?«
    Â»Nein.«
    Â»Hat Ihr Assistent etwas mitgenommen?«

    Â»Sie meinen, außer der Patientin?«
    Was sind das bloß für Fragen? Warum fragt er nicht nach dem Zustand der Patientin oder ob ich jemanden gesehen habe?
    Ella sah zu, wie die Fahrgäste aus dem Bus die Luisenstraße überquerten und zur Notaufnahme hinaufgingen. Jetzt ließ der Busfahrer für einen jungen Mann im Rollstuhl, der an der Haltestelle gewartet hatte, eine Eisenrampe herunter.
    Â»Sie hat Ihnen auch nichts gegeben?«, hakte Hauptkommissar Kleist nach.
    Â»Nein.«
    Â»Haben Sie zwischendurch irgendwo haltgemacht?«
    Â»Zu welchem Zweck? Um schnell eine Pizza to go zu holen, während die Patientin hinten im NAW mit dem Tode ringt?«
    Es gab eine kurze Pause, und Ella dachte schon, die Verbindung wäre unterbrochen, aber gleich darauf fuhr Kleist in demselben mechanischen Tonfall fort. »Ist Ihnen in der Wohnung sonst noch irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    Der Mann, dachte sie; ich habe den Mann gesehen, der das Blutbad angerichtet hat. »Meinen Sie die Fische?«, fragte sie stattdessen.
    Â»Welche Fische?«
    Diesmal lief kein Ruck durch die Welt, und auch das Licht flackerte nicht. Er war gar nicht in der Wohnung, dachte Ella; er weiß überhaupt nicht, worüber ich rede. Dann dachte sie, warum hat er nicht gefragt, ob die Frau in der Wohnung noch etwas gesagt hat? Er hat sich nur erkundigt, ob sie auf der Fahrt in die Klinik etwas gesagt hat. Warum hat er nicht nach der Zeit davor gefragt?
    Sie spürte eine plötzliche Kühle in der Brust, als hätte sie Polarluft eingeatmet. Ihr Herz zog sich zusammen, und die Schläge schmerzten.
    Er hat nicht danach gefragt, weil er über die Zeit davor Bescheid weiß. Er weiß, dass sie da nichts gesagt hat. Er weiß es von
dem Mann, den ich in dem dunklen Korridor gesehen habe, dem Mann mit dem Messer.
    Â»Sie haben also mit niemandem darüber gesprochen?«, fragte der Mann am anderen Ende der Leitung noch einmal.
    Â»Nein.«
    Wir sind ganz in Ihrer Nähe.
    Â»Und die Patientin hat wirklich nichts gesagt? Keinen Namen? Etwas auf Französisch vielleicht, das Sie nicht verstanden haben?«
    Das war kein Arzt gestern Nacht, und das ist kein Polizist.
    Â»Nein. Nichts.«
    Die Hintergrundgeräusche in der Leitung veränderten sich erneut. Ella hörte quietschende Reifen, hektisches Hupen und eine ferne Sirene. Der Mann sagte: »Bitte, sprechen Sie auch jetzt mit niemand darüber. Nicht, bevor wir mit Ihnen geredet haben. Wir sind gleich bei Ihnen.«
    Der Busfahrer hatte dem jungen Mann im Rollstuhl in den Bus geholfen, und jetzt fuhr er die Rampe wieder hoch. Ella ging langsam die Auffahrt hinunter, das Handy am Ohr. »Mir fällt gerade etwas ein«, sagte sie, »ich muss noch ein Kleid aus der Reinigung holen, bevor sie zumacht. Ich komme besser zu Ihnen. Wo ist Ihre Dienststelle genau, Hauptkommissar Kleist?«
    Â»Ich bin nicht im Büro«, antwortete der Mann, und alles blieb gleich, Stimme, Atmung, Tonfall. »Wir sind nur noch ein paar Straßen von der Charité entfernt. Es dauert nicht lange. Wenn Sie wollen, fahre ich Sie danach zur Reinigung.«
    Unwillkürlich ging sie schneller. Vergiss die Intensivstation. Verschwinde von hier. Nimm den Bus. Sieh zu, dass du es in den Bus schaffst.
    Sie fing an zu laufen. Die automatischen Türen des Busses schlossen sich, aber sie schaffte es noch, die hintere zu erreichen, und schlug mit der flachen Hand dagegen. Der Fahrer
öffnete die Tür noch einmal. Sie stieg ein und ging nach vorn, um ihm ihre Monatskarte zu zeigen. »Es tut mir leid, ich muss los«, sagte sie zu dem Mann am anderen Ende der Leitung, »ich rufe wieder an.« Dann unterbrach sie die Verbindung. Sie schob das Handy in die Jackentasche, zeigte ihre Karte vor, und weil alle Sitzplätze besetzt waren, ging sie zurück zur Hintertür und blieb stehen.
    Das Handy klingelte. Sie nahm es heraus und kontrollierte das Display. Sie stellte den Ton ab und schaltete um auf Vibration. Während sie die Nummer des Anrufers betrachtete, kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht einfach paranoid war. Er kann trotzdem ein echter Polizist sein, auch wenn er nicht in der Wohnung war. Sie wählte die Nummer der Feuerwehr-Leitstelle. Der Disponent, der in der letzten Nacht Dienst gehabt hatte, war erst wieder für den nächsten Morgen

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