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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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Schwerverletzten und Sterbenden, es war das komplette Chaos und – «
    Â»Ich weiß«, sagte der Oberpfleger. »Ich war hier.«
    Jetzt bemerkte sie die Müdigkeit in seinem Gesicht, die scharfen Falten und die Ringe unter seinen Augen, und an seinem Blick konnte sie erkennen, dass er es noch immer vor sich sah, genau wie sie.
    Aber sie sah noch mehr: Sie sah sich selbst inmitten des Infernos der letzten Nacht. Zusammen mit dem Pfleger schob sie ihre Patientin zum Fahrstuhl. Sie sah den Arzt, der plötzlich aufgetaucht war, wie ein Geist, das Gesicht hinter einem grünem Mundschutz verborgen, eine Kappe auf dem Kopf, aber kein Namensschild und kein Blut auf den Handschuhen .
    Â»Ich bin ihm hier noch nie begegnet«, sagte sie. Jetzt, wo sie sich daran erinnerte, suchte sie nach einem Anzeichen, das ihr hätte auffallen müssen, dem Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ihr fiel ein, dass sie ihn sogar nach seinem Namen gefragt hatte, bevor die Fahrstuhltür sich schloss, vor ihm und dem Jungen und der –
    Sie sah das Bild ganz scharf vor sich: der kleine, bleiche Junge mit dem kahl rasierten Schädel, höchstens sieben Jahre alt, der sich das rechte Auge zugehalten hatte und barfuß in dem grellen Licht des edelstahlverkleideten Lift stand, nur mit einem knielangen, weißen Klinikhemd bekleidet . »Wie hieß Ihre Patientin denn?«, fragte der Oberpfleger. »Vielleicht ist sie in eine andere Klinik verlegt worden, und wir können eine Suchanfrage starten – «
    Â»Ich weiß nicht, wie sie hieß«, sagte Ella. »Aber in dem Zustand, in dem sie sich befand, war sie nicht mehr transportfähig. «
    Er deutete auf den Computer. »So weit es danach geht, hat es Ihre Patientin nie gegeben, jedenfalls nicht bei uns. Aber
manchmal verschwinden Patienten plötzlich und tauchen genauso plötzlich wieder auf, und manchmal schließen sich die Wunden über Nacht, und manchmal stehen die Kranken einfach auf, nehmen ihr Bett und wandeln, genau wie in der Bibel. Sie erwachen aus dem Koma, stellen fest, dass sie gar nicht so krank sind, wie es den Anschein hatte und beschließen, dass sie genauso gut zu Hause gesund werden können.« Er warf einen Blick auf Ellas Gesicht und schaute rasch wieder weg. »Entschuldigen Sie, Doktor …« Er seufzte, Reue in der Stimme. »Nobody knows the trouble I’ve seen.«
    Â» Nobody knows but Ella «, ergänzte sie. »Trotzdem glaube ich nicht, dass eine Patientin so einfach verschwinden kann. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich mal auf der Intensivstation umsehe?«
    Der Oberpfleger breitete die Arme aus. Bitte, was immer Sie glücklich macht , sollte das wohl heißen. Im selben Moment wurde ihr klar – sie wusste nicht, warum –, dass sie die Frau hier nicht finden würde. Es war mehr eine Ahnung als eine Erkenntnis, denn jetzt fiel ihr auch der Audi wieder ein, den sie in der Nacht und dann wieder am frühen Morgen gesehen hatte, aus den Augenwinkeln ihres Bewusstseins und geblendet von der gleißenden Sonne.
    Wieder schien es ihr, als flackere die Welt für einen winzigen Sekundenbruchteil. Eine hundertstel Sekunde vielleicht gab es einen Kurzschluss im Licht des Tages, des strahlenden Himmels. Ein unsichtbarer Ruck ging durch die Wirklichkeit, die sich nicht mehr ganz davon erholte.
    Und wenn es gar kein Arzt war? , dachte Ella. »Können Sie mir sagen, welche Ärzte gestern Nacht Dienst hatten?«
    Eine blasse junge Frau in einem Schwesternkittel erschien neben dem Oberpfleger, in der Hand eine Karte. »Entschuldigung, sind Sie Doktor Bach?«, fragte sie.
    Â»Ja.«

    Â»Zwei Männer waren hier und haben nach Ihnen gefragt«, sagte die Schwester und reichte ihr die Karte, auf der mehrere Ziffern standen. »Sie sollen diese Nummer anrufen, bitte.«
    Â»Weswegen?«, wollte Ella wissen.
    Â»Das haben sie nicht gesagt.«
    Â»Was für Männer? Wann waren sie da?«
    Â»Heute Morgen, gegen sieben«, antwortete die Schwester. »Sie sagten, sie wären von der Polizei. Sie haben nach Ihnen gefragt – NAW 4305, Blitz in die Benno-Ohnesorg-Straße, das waren Sie doch? Sie haben sich nach Ihrem Namen und dem Ihres Rettungsassistenten erkundigt, und dann haben sie gesagt, Sie möchten bitte diese Nummer anrufen. Es klang sehr dringend.«
    Â»Danke«, sagte Ella. »Haben sie auch nach meiner Patientin gefragt?«
    Â»Von

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