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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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und bin mit Max Rettungseinsätze gefahren … Was tue ich hier? Was habe ich hier zu suchen?
    Â»Da ist sie«, sagte Hauptkommissar Aziz nur wenige Schritte von ihr enfernt.
    Sie krümmte sich zusammen und dachte, ich will hier nicht sterben, und dann sah sie, wie auf einmal jemand zu Annika trat, ihren Kopf berührte, als wollte er sie streicheln, und sich wieder abwandte. Ella erkannte ihn sofort, obwohl er genauso verschwommen war wie die anderen Männer.
    Dany.
    Die Männer zwischen den Sitzen schossen. Ella presste ihr Gesicht auf den Teppichboden. Aber dann war Dany da, bei ihr,
warf sich vor sie und stieß sie mit den Schultern unter die nächste Sitzreihe. Auf dem Rücken liegend, gab er zwei Schüsse über seine Füße hinweg ab. Die Patronenhülsen flogen rauchend aus der Kammer und fielen heiß auf Ellas Hand.
    Die Männer zwischen den Sitzreihen erwiderten das Feuer. Sie schossen gleichzeitig, und Dany rollte sich zur Seite und richtete sich halb auf und schoss wieder. Ella wollte noch weiter unter die Sitze kriechen; ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Rote Polsterfetzen und Holzsplitter regneten durch die Luft, und Dany schoss noch immer, und seine Kugel schlug vor Ellas Augen in einen Fuß ein, zerfetzte Fleisch, Knochen und das Leder der handgenähten Schuhe, die sie an Aziz immer beeindruckt hatten.
    Dany drehte sich um die eigene Achse, bis er auf dem Bauch lag, Gesicht und Pistolenlauf den anderen Männern zugewandt. Er drückte wieder ab und schoss so lange, bis die leere Waffe nur noch metallisch klackte. Die Schatten der Männer auf dem Boden neben Ella schienen zu tanzen. Dann erstarrten sie eine Sekunde oder zwei und sanken in Zeitlupe zusammen. Zuerst landeten ihre Waffen auf dem Boden und schließlich sie selbst, und an der Art, wie sie fielen, als aus den Schatten wieder Menschen wurden, konnte Ella erkennen, dass sie schon tot waren, bevor sie den Boden berührten.
    Dany ließ die Pistole sinken. Auch sein Kopf sank herab, auf die Pistole, auf seine Hände. An seinem Hals pochte eine Ader zu schnell für jemanden, der einfach nur dalag. Er drehte den Kopf, bis er Ella sahen konnte. Sie rutschte unter der Sitzreihe hervor und dachte, er würde ihr Platz machen, aber das tat er nicht.
    Â»Ich muss mit dir reden«, sagte er. »Ich habe nur noch nie etwas erklärt«, sagte er, »und ich habe nie gelernt, wie man sich entschuldigt.«
    Â»Du hast mir gerade zum zweiten Mal das Leben gerettet«,
sagte sie. »Das ist eine Art Entschuldigung, oder?« Sie sah, dass die Ader an seinem Hals immer schneller pochte; etwas Schweiß rann ihm vom Nacken den Hals hinunter.
    Â»Ich dachte, es ginge anders«, sagte er, »aber dann war alles so durcheinander, und sie haben mich auf die Abschussliste gesetzt. Ich habe versucht, Mado zu finden, deswegen konnte ich nicht schneller …«
    Er schwieg und hustete unterdrückt, bevor er weiterredete, schneller jetzt. »Erst als ich … Ich habe gehört, dass du hier bist … sie haben dafür gesorgt, dass die Polizei nicht reinkommt …«
    Er sprach immer noch schnell, aber jetzt leise, mit kurzen Pausen an den falschen Stellen. Er hob den Kopf, versuchte aufzustehen, schaffte es aber nur bis auf die Knie. Da verharrte er und sah auf sie herab. Er ließ die Pistole los. Auf einmal lächelte er, etwas verlegen, wie jemand, der für kurze Zeit beinahe glücklich gewesen wäre und der aus eigener Schuld genauso schnell alles wieder verloren hatte, das Glück, die Hoffnung darauf und auch auf alles andere. »Ich wollte immer besser sein, als … als ich konnte.«
    Â»Ja«, sagte Ella. »Ich auch.«
    Langsam sank er nach vorn wie ein Moslem beim Gebet, doch er legte nur eine Hand auf den Boden. Mit der anderen tastete er nach Ella, als wollte er sich noch einmal vergewissern, dass sie wirklich gewesen war. So verharrte er bewegungslos, und nach einiger Zeit hörte die hervorgetretene Ader an seinem Hals auf zu pochen.
    Â»Dany?«, sagte Ella. »Dany?«
    Â»Ist er tot?«, fragte eine Frauenstimme.
    Ella schaute hoch, und da stand Mado, blass und abgemagert. Ihr Gesicht war noch immer gezeichnet von den Verletzungen, mit denen Ella sie aufgefunden hatte. »Er hat mich befreit«, sagte sie. »Er hat sich um mich gekümmert, und gerade
eben hat er die Polizei gerufen. Als wir hier ankamen, haben wir gesehen, dass schon

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