Erlosung
ihren Armen lag, wie er zu ihren FüÃen lag, wie sie sich über ihn beugte.
Dann gab es VergröÃerungen: Freyermuths Hand, die etwas in ihre Tasche schob, einen kleinen Gegenstand, glänzend im Sonnenlicht. Der Gegenstand, noch einmal vergröÃert und jetzt eindeutig ein Schlüssel. Dieselbe Hand, wie sie in ihrer Tasche verschwand, und dann wieder herausrutschte â leer.
»Wissen Sie jetzt, von welchem Schlüssel ich spreche?«, fragte Kleist dicht neben ihr.
Sag was, sag irgendetwas, das dir hilft, Zeit zu gewinnen.
»Der muss in der anderen Jacke sein«, sagte sie. »Ich war voller Blut, alles war voller Blut, deswegen bin ich schnell nach Hause, um mir was Sauberes anzuziehen. Sehen Sie, ich hab eine andere an â «
»Sie verstehen mich immer noch nicht«, meinte Kleist. »Sie sagen, Sie verstehen mich, aber Sie tun es nicht. Ich könnte Sie bitten, sich auszuziehen, hier, bis auf die Haut. Ich könnte Ihre Kleider durchsuchen und Ihre Körperöffnungen abtasten, und ich könnte dasselbe bei Monsieur Montheilet vom Nouvel Observateur machen.«
»Sie könnten auch ein Messer nehmen und mich foltern wie Madeleine Schneider oder Max Jansen«, sagte Ella, plötzlich wütend. »Sie sind doch sonst nicht so zimperlich.«
»Nein«, unterbrach Kleist sie in sanftem Tonfall und berührte ihren Oberarm mit dem Zeigefinger der rechten Hand. Es war nur eine Berührung, aber sie kam ihr brutaler vor als die Ohrfeige. Sie widerstand der Versuchung zurückzuweichen. Stattdessen lieà sie die Fotos auf den Tisch fallen und hielt der Berührung genauso stand wie seinem Blick. »Nein, das ist nicht meine Art. Was mit Ihrem Freund und Fräulein Schneider passiert ist, war unnötig. Es wird sich nicht wiederholen. Wir haben andere Möglichkeiten.«
Der Finger glitt langsam an ihrem Arm herunter, zum Ellbogen, dann zum Unterarm und schlieÃlich zum Handgelenk. Sie fragte sich, was er vorhatte, was er mit dieser Geste bezweckte. Er lieà sich Zeit, hatte keine Eile. Es schien ihn nicht zu kümmern, ob jemand hereinkam oder sie durch die Glaswand sah. Er stand neben ihr, atmete ruhig, betrachtete sie aufmerksam und ohne sichtbare Verärgerung. Der Finger glitt über ihren Handrücken, über die Knöchel. Dann packte er ihren Daumen mit der ganzen Hand und riss ihn nach hinten. Der Schmerz schoss ihr wie ein Stromschlag bis ins Gehirn hinauf. Unwillkürlich stieà sie einen Schrei aus.
»Ruhig«, sagte Kleist. »Ganz ruhig.« Er zog den Daumen weiter in Richtung Handgelenk, nahm ihren Zeige- und Mittelfinger dazu und verdrehte jetzt ihre ganze Hand, drückte sie nach unten, bis ihre Beine nachgaben und sie in die Knie ging. »Schreien nützt nichts«, sagte er, »der Raum ist schalldicht«, und sie schrie nicht noch einmal.
Ihr ganzer Arm brannte vom Daumenballen bis in die Schulter, aber sie schrie nicht. Sie starrte auf den Boden, sah nicht zu Kleist auf, wollte nicht, dass er sie weinen sah und wartete darauf, dass sie die Knochen brechen hörte.
An der Tür gab es Unruhe, Dany machte eine Bewegung, als wollte er sich auf Kleist stürzen. Der Mann, der die doppelläufige Schotflinte mit dem Schalldämpfer auf Ella gerichtet hatte, fuhr zu Dany herum und richtete sie jetzt mit ausgestrecktem Arm auf sein Gesicht.
»Bitte, Monsieur Montheilet, das bringt doch nichts«, sagte Kleist, immer noch ruhig.
Er verstärkte den Druck auf Ellas Handgelenk und die Finger â ruhig, beherrscht, ohne schneller zu atmen â, bis sie es nicht mehr aushielt. »Sie sind nicht ohne den Schlüssel hierhergekommen, Doktor Bach«, sagte er. »Bitte, geben Sie ihn mir jetzt.«
Gib ihm schon den Schlüssel, Herrgott, wem willst du was beweisen, er kriegt ihn sowieso â
»Den Schlüssel!«
Gib ihnen, was sie wollen, vielleicht lassen sie dich dann am Leben.
Mit der freien Hand griff sie in die Tasche, er hätte mich durchsuchen können, er hätte mir das ersparen können, aber das wollte er nicht, sie holte den Schlüssel heraus und hielt ihn hoch, immer noch ohne zu ihm aufzusehen und ohne etwas zu sagen. Er stand noch einige Sekunden so vor ihr, genoss seine Macht, lieà sie nicht los, und das war der Moment, in dem die Tür aufging, und der junge Anwalt in dem dreiteiligen Boss-Anzug hereinkam und nicht begriff, was er sah, was für eine
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