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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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Situation er vorfand. »Was ist denn hier los?«, fragte er, schloss aber noch die Tür. Der Mann mit der Schrotflinte bewegte den Lauf ein wenig, nur einen oder zwei Zentimeter von Dany zu ihm und schoss.

26
    Der Schuss war kaum lauter als das Entkorken einer Weinflasche, und vielleicht begriff der junge Anwalt deswegen auch nicht gleich, was mit ihm geschah, als die volle Ladung Schrot in seinen Körper einschlug. Er schwankte wie jemand, der von einem scharfen Windstoß getroffen wird. Gesicht, Hals und Brust waren plötzlich mit roten Punkten übersät, als hätte er von einer Sekunde auf die nächste Masern bekommen. Langsam, fast widerstrebend senkte er den Kopf und betrachtete die roten Löcher mit den zerfetzten Rändern in seiner Hundertzwanzig-Euro-Krawatte. Dabei nahm sein Gesicht einen etwas verlorenen Ausdruck an. Er schob die Krawatte beiseite, und die roten Löcher waren auch in seinem Hemd und der Weste, und dann hob er überrascht die Hand und betastete sein Gesicht, und erst als er das Blut an den Fingerspitzen sah, begriff er endlich.
    Er öffnete den Mund zu einem runden, feuchten O. Das O gab furchtbares Stöhnen von sich, bevor der junge Anwalt in die Knie brach und zurücksank auf die Fersen, wo er kauernd blieb, während das Blut in seinem Gesicht immer mehr wurde und das Stöhnen sich in ein röchelndes Gurgeln tief in seiner Kehle verwandelte.
    Â»Rehposten«, erklärte Kleist, »wegen der Fenster. Ich wollte nicht, dass irgendwelche Kugeln die Scheiben kaputt machen und das Glas unten auf die Straße regnet, wo vielleicht jemand auf die Idee kommt, die Polizei zu rufen.«

    Der Mann, der geschossen hatte, hob die Patronenhülse auf und steckte sie sorgsam in die Jackentasche. Dabei hielt er die Mündung mit dem Schalldämpfer weiter auf Dany gerichtet. Ein dünner Rauchfaden stieg aus dem Schloss der Flinte. Der Mann holte eine Ersatzpatrone aus der Tasche, knickte die Läufe ab, ersetzte die verschossene Ladung und klappte die Läufe wieder hoch.
    Der junge Anwalt, der noch immer auf den Fersen kauerte, zitterte, als wäre ihm kalt, wie das Mädchen auf dem Rummelplatz. Sein Hemd und die Hosenbeine waren jetzt auch feucht und rot, er blutete aus den Augen , aber dann fiel er zur Seite, und als er aufhörte zu zittern, wusste Ella, dass er tot war.
    Â»Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Kleist. Er streckte die Hand aus und nahm den Schlüssel an sich. »Es ist allein Ihre Schuld, Doktor Bach. Wenn Sie sich nicht eingemischt hätten, wenn Sie meinen Anordnungen gehorcht und Ihren Mund gehalten und sich von meinen Kollegen ferngehalten hätten – «
    Er schüttelte den Kopf, eine schnelle, wütende Geste. Mit dem Schlüssel in der Hand ging er zu dem Safe im Schrank, schob ihn in das Schloss, drehte ihn um und lächelte, als die Tür lautlos aufschwang. Er holte eine DVD in einer durchsichtigen Plastikhülle heraus und ging damit zu dem Player auf dem Fernsehapparat. Er legte die Disc in das Gerät, griff zu der Fernbedienung auf der Kommode neben den Apparaten und schaltete beide an, bevor er einen Schritt zurücktrat, um besser sehen zu können.
    Auf dem Bildschirm erschien Mado, wie Ella sie von den Überwachungsfilmen des Voyeurs in Erinnerung hatte, blass in dem bläulichen Zwielicht und nervös, voller Angst. »Mein Name ist Madeleine Schneider«, sagte sie kurzatmig. »Wenn Sie dies hören oder sehen, bin ich wahrscheinlich tot. Jemand ist mir den ganzen Tag gefolgt. Ich glaube, er hat auch das Haus beobachtet. Ich habe Angst. Vor einer Stunde hat Raymond
angerufen. Er hat gesagt, dass ich in Gefahr bin. Ich soll auf der Hut sein, falls jemand von einer Anwaltskanzlei namens Rochefort, Gladstone & Wentworth bei mir auftaucht, unter welchem Vorwand auch immer.«
    Kleist drückte auf Fast Forward , der Film wurde zu eine Folge springender Bilder, eher er wieder langsamer lief und Mado sagte: »Ich wollte doch nur wissen, wer sie umgebracht hat – meine Urgroßeltern –, und jetzt … jetzt stecke ich auf einmal mitten … mitten in etwas, das ich nicht verstehe – ich verstehe es einfach nicht ! Raymond hat gesagt, Forell darf die Aufnahme noch nicht öffentlich machen, aber ich finde, er kann nicht länger warten. Er muss sie sofort benutzen, bevor es zu spät ist.«
    Â»Forell«, sagte Kleist zu dem zweiten Mann, dem, der

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