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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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Vorhang auf sie zusteuerten. Ohne etwas zu sagen, packten zwei der Männer Danys Arme und einer ergriff Ellas Hals, so wie man eine Katze packt, damit sie sich nicht wehrt. Dann schoben und zogen alle drei sie unter das Vordach der erleuchteten Lobby.
    Die Eingangstür war geschlossen. Der Mann im Trenchcoat drückte mehrmals schnell hintereinander den Messingknopf neben den Namen Freyermuth, Herzog & Conradi. Als in der Gegensprechanlage ein Knacken ertönte, hielt er einen Ausweis in den Lichtkegel der Videoüberwachung, aber so, dass sein Gesicht dahinter verschwand, und sagte: »Hauptkommissar Kleist, Kripo Berlin. Würden Sie uns bitte öffnen?!«

25
    Hauptkommissar Kleist stemmte sich gegen den wuchtigen Edelstahlgriff der Glastür, die nachgab, sobald der Öffner schnarrte. Verwundert bemerkte Ella, wie ruhig sie war; vier Männer, ihre Mörder vielleicht, überfielen sie, und sie war nicht verängstigt, nicht einmal wirklich überrascht. Der Mann, der ihren Arm hielt, schob sie in die Lobby und die Marmortreppe hinauf zu den Fahrstühlen, und sie ging willig mit, wie in einen Schatten gehüllt.
    Die Liftkabine war aus Glas, ein durchsichtiger Kubus, der Platz für acht Personen bot. Lautlos schwebten sie nach oben. Das Treppenhaus glitt vorbei, wie die Lobby eine strenge Studie in grauem Marmor, Glas und rostfreiem Edelstahl. Sie standen so dicht beieinander, dass niemand den anderen ansehen konnte, und keiner sagte etwas. Den regendunklen Flecken in Kleists Trenchcoat entstieg ein filziger Geruch. Als sie den elften Stock erreichten, fragte Kleist: »Sind Sie bewaffnet? «
    Â»Nein«, sagte Ella.
    Â»Ihnen sollte klar sein, dass wir Sie beide sofort töten, wenn Sie Widerstand leisten.«
    Â»Wollen Sie nicht wissen, wer ich bin?«, fragte Dany.
    Â»Wir wissen, wer Sie sind«, sagte Kleist.
    Â»Ich bin französischer Staatsbürger und Journalist bei einer großen Tageszeitung«, sagte Dany. »Le Nouvel Observateur in Paris . «

    Kleist nickte wie jemand, der zeigen wollte, dass er etwas zur Kenntnis nahm, was er schon lange wusste.
    Auch die Eingangstür zur Kanzlei von Freyermuth, Herzog & Conradi war aus dickem Glas. Dahinter erstreckten sich breite, mit dunkelblauem Teppichboden ausgelegte Korridore, die zu weiteren Glaskuben mit Schreibtischen aus Walnussholz und Aktenschränken aus Edelstahl mit Holzrolltüren führten. Die Neonröhren unter den Milchglasblenden an den Decken der Büroräume waren bereits ausgeschaltet oder für die Nacht heruntergedimmt. Topfpalmen mit fleischigen Wedeln und moderne Gemälde an den Wänden fügten der monochromen Einrichtung etwas Farbe hinzu.
    Hinter der Glastür wartete ein blasser junger Mann in einem dreiteiligen dunkelgrauen Anzug, die Krawatte gelockert, Weste und Hemdkragen aufgeknöpft. Kleist hob wieder seinen Ausweis, und der Mann nickte und sperrte die Tür auf. Sein Blick flog über die Gesichter der Besucher, blieb erst an Ella hängen, dann an Dany, bevor er zu Kleist zurückkehrte. »Worum geht es denn?«
    Von irgendwoher drang das Geräusch eines Staubsaugers. Ein Telefon klingelte, ohne dass jemand an den Apparat ging. »Sind Sie allein hier?«, fragte Kleist.
    Â»Ja.«
    Â»Wann kommt die Putzkolonne?«
    Â»In einer halben Stunde, ungefähr.«
    Â»Wird die Kanzlei videoüberwacht?«
    Â»Ja.«
    Â»Wo befindet sich der Kontrollraum?«
    Â»Warum wollen Sie das denn wissen?«
    Â»Wir sind im Büro von Doktor Freyermuth«, sagte Kleist, statt zu antworten. »Ich erwarte ihn in zehn Minuten. Er wird Ihre Fragen beantworten. Haben Sie noch zu tun?«
    Â»Ja.«

    Â»Dann erledigen Sie, was Sie zu tun haben, und kommen Sie in fünf Minuten in sein Büro. Können Sie uns zeigen, welches es ist?«
    Â»Ich bringe Sie hin«, sagte der junge Mann in dem dreiteiligen Anzug. Er ging voran, über einen langen, halbdunklen Korridor, vorbei an weiteren verglasten Büros und Konferenzräumen und einer Kaffee-und-Saft-Bar, und während er vor ihnen herging, wusste er nicht, dass ihn all die Jahre des Studiums, die nächtelange Büffelei über dem ersten und zweiten Staatsexamen, die endlosen Abende in der Kanzlei zum Zweck der Akkumulierung drei- und vierfach abrechenbarer Arbeitsstunden und die mit den immer gleichen Schriftsätzen an seinem Walnussholz-Schreibtisch verbrachten Tage, Wochen und

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