Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
befunden haben musste, seinen Kollegen erschossen. Die später durchgeführten Vergleichsschüsse bestätigten unsere Vermutung. Das Geschoss stammte eindeutig aus der Dienstwaffe des Polizisten, der ungewollt seinen Freund getötet hatte. Wie der Schütze versicherte, war er bei der Belehrung über den Gebrauch der Pistole 08 über diese Gefahr nicht aufgeklärt worden.
Kapitel 8
Abtreibungen
Als ich 1951 meine Tätigkeit in der Gerichtsmedizin begann, war in der DDR ein legaler Schwangerschaftsabbruch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Keineswegs durfte die Frau wie später nach dem Gesetz vom 9.3.1972 weitgehend selbst darüber entscheiden. Es gab damals einmal die »medizinische Indikation«, die dann vorlag, wenn durch das Austragen der Schwangerschaft und die Geburt das Leben oder die Gesundheit der Mutter ernsthaft gefährdet wurde. Zum anderen bestand die »eugenische Indikation«, die dann gegeben war, wenn bei einem Eltemteil eine schwere Erbkrankheit vorhanden war und erwartet werden musste, dass das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls daran erkrankte. Vorübergehend galten auch noch die »soziale« und die »ethische Indikation«. Von sozialer Indikation sprach man dann, wenn aufgrund der schlechten sozialen Verhältnisse die Aufzucht eines Kindes unmöglich erschien; eine ethische Indikation lag vor, wenn die Schwangerschaft durch eine Straftat, eine Vergewaltigung zustande kam. Diese beiden letzten Indikationen wurden aber später nach Erlass eines Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau nicht mehr anerkannt. Jede andere Schwangerschaftsunterbrechung war damals strafbar, wobei die gewerbsmäßige Abtreibung besonders hart bestraft wurde. Derartige Handlungen erfolgten deshalb geheim und wurden nur in den wenigsten Fällen den Strafverfolgungsbehören bekannt. Die Gesetzgebung der damaligen Zeit führte weiterhin dazu dass Abbruche nicht selten von Personen vorgenommen wurden, die wenig oder gar keine medizinischen Kenntnisse hatten und die gefahrvolle Methoden anwandten. Wenn Komplikationen auftraten, waren sie oft nicht in der Lage, mit ihnen fertig zu werden. Kam es zu Todesfällen, wurden diese vertuscht und eine natürliche Todesursache vorgetäuscht. Eine der häufigsten Abtreibungsmethoden war die Einspritzung einer Flüssigkeit in die Gebärmutter. Die Gefahr bestand vor allem darin, dass neben der Flüssigkeit oft ungewollt und unbemerkt eine größere Menge Luft mit eingespritzt wurde, die dann in die durch den Fruchtabgang eröffneten Blutgefäße gelangte und zu einer tödlichen Luftembolie führte, einer Einschwemmung der Luft in die Haargefäße der Lunge. Der Tod trat dann in den meisten Fällen blitzartig ein. Eine andere Art der Abtreibung, die ebenfalls häufig angewandt wurde, war der so genannte Eihautstich. Dabei wurde die Fruchtblase mit einem mehr oder weniger geeigneten spitzen Gegenstand angestochen, um das Fruchtwasser abfließen zu lassen und so die Ausstoßung der Frucht in Gang zu setzen. Bei diesem Vorgehen konnte die Gebärmutter durch das spitze Instrument verletzt werden oder durch unsterile Instrumente eine Infektion eintreten. Wie laienhaft Abbruche mitunter vorgenommen wurden, erlebte ich bei verschiedenen Gerichtsprozessen, so zum Beispiel als Sachverständiger in einem Verfahren gegen eine gewerbsmäßige Abtreiberin. Letztere hatte die Unterbrechung mit dem Eihautstich eingeleitet, wobei zunächst alles gut verlaufen und die Abtreibung in Gang gekommen war. Aber nach dem Fruchtabgang trat eine Tetanusinfektion ein, die zum Tode der Frau führte. Weil die Todesursache bzw. der Ausgangspunkt der Tetanusinfektion unklar war, hatten wir eine gerichtliche Sektion durchgeführt und dabei die Abtreibungsverletzung festgestellt. Die Abtreiberin war sehr bald ermittelt worden. Vor Gericht oblag mir als Sachverständiger die Aufgabe, den Kausalzusammenhang zwischen Abtreibungsverletzung und Tetanusinfektion darzulegen. Als ich ausführte, dass das benutzte Instrument nicht steril gewesen sei und sich Bakterien daran befunden hätten, sprang die Angeklagte empört auf und rief in den Gerichtssaal: »Das stimmt nicht, der Sachverständige lügt. Ich habe die Stricknadel vorher noch abgewaschen und dann mit einem sauberen Tuch trocken gerieben. Ich habe es mir genau angesehen, da waren keine Bakterien dran. « Im Gegensatz zu heute gab es damals relativ viele Todesfälle nach Abtreibungen. Fast jeden Monat waren mehrere
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