Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
derartige Sektionen durchzuführen, wobei die Dunkelziffer noch viel höher gewesen sein wird. Bei jedem unklaren Tod einer Frau im gebärfähigen Alter musste man deshalb in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre zumindest auch die Möglichkeit einer Abtreibung bedenken.
Todesursache unbekannt
Eines Morgens rief die Staatsanwaltschaft von G. an und ordnete die Sektion einer jungen Frau an, bei der die Todesursache völlig unklar war. Der Hausarzt, der die Leichenschau durchgeführt hatte, konnte keinerlei Hinweise auf eine mögliche Todesursache finden. Im Sektionsraum des örtlichen Friedhofes fanden wir die Leiche einer 28jährigen Frau vor, die nur mit einem Nachthemd bekleidet war. Außer dem Staatsanwalt und einem Kriminalisten war auch der Hausarzt bei der Sektion anwesend. Er interessierte sich für das Sektionsergebnis, da er sich den Todesfall einfach nicht erklären konnte. Er kannte und behandelte die junge Frau schon seit vielen Jahren und wusste, dass sie nie ernstlich krank gewesen war. Erst wenige Tage vor ihrem Tod hatte er sie aus einem anderen Grund gründlich untersucht und auch eine Reihe von Laborwerten eingeholt. Alles war in Ordnung gewesen. Und jetzt dieser plötzliche Tod. Der Hausarzt schilderte zuerst, was er über das Geschehene wusste. Danach hatte ihn der Ehemann völlig aufgelöst aufgesucht und ihn gebeten, ihn zu seiner Frau zu begleiten. Er glaube, sie sei tot. Als der Arzt ungläubig reagierte und nach den näheren Umständen fragte, erhielt er zur Antwort: »Gestern Abend hat sie sich ganz normal schlafen gelegt, hat keine Beschwerden gehabt. Und als ich sie heute Morgen wecken wollte, da rührte sie sich nicht. Sie atmete auch nicht mehr.« Der Arzt begab sich sofort mit dem Ehemann in die Wohnung und fand dort die Frau regungslos im Bett vor: Kreislaufversagen, keine Herztätigkeit und keine Atmung. Die Frau war zweifellos tot. Bei der weiteren Untersuchung stellte er fest, dass sich bereits Totenflecke ausgebildet hatten. Ihm war damit klar, dass der Tod schon vor einigen Stunden eingetreten sein musste. Nach seiner Schätzung kamen die späten Abendstunden des vorangegangenen Tages als Todeszeitpunkt infrage. Entsprechend der Leichenschaugesetzgebung meldete er den Todesfall bei der Polizei, die dann über die Staatsanwaltschaft die Sektion veranlasste. Die äußere Besichtigung der Toten erbrachte nichts Auffälliges. Verletzungen oder Einstichstellen waren nirgends zu sehen. Die Totenflecke zeigten die normale Farbe. Auch bei der Beurteilung der inneren Organe fanden sich zunächst keine Veränderungen. Da es sich aber um eine Frau im gebärfähigen Alter handelte, zog ich auch eine Abtreibung in Betracht und stellte entsprechende Untersuchungen an. Sollten diese erfolglos verlaufen, konnte ich zumindest eine derartige Handlung als Todesursache ausschließen. Ich öffnete deshalb unter Wasser die Herzkammern, um das Vorliegen einer Luftembolie zu prüfen. Zu meiner Überraschung erbrachte diese Probe ein positives Ergebnis, womit eine Luftembolie als Todesursache feststand. Diesen Befund konnte ich bei der Untersuchung des Gehirns noch bestätigen. Die äußeren und inneren Geschlechtsorgane ließen bei der einfachen Betrachtung keinerlei Veränderungen erkennen. Erst bei der späteren mikroskopischen Untersuchung ergaben sich Hinweise auf eine Schwangerschaft. Es war also mit größter Wahrscheinlichkeit eine Abtreibung durchgeführt worden, die zu einer tödlichen Luftembolie geführt hatte. Demzufolge musste ermittelt werden, wer die Abtreibung vorgenommen bzw. wer der Frau dabei geholfen hatte. Im Bett konnte das kaum geschehen sein, weil ansonsten der Arzt bei der Leichenschau sicherlich Spuren bemerkt hätte Falls diese nicht beseitigt worden waren, musste die Abtreibung woanders erfolgt und die Frau hinterher ins Bett gebracht worden sein. Der Ehemann blieb bei der Befragung bei dem, was er bereits gegenüber dem Hausarzt geäußert hatte. Auch die Durchsuchung der Wohnung ergab keine Hinweise auf eine Abtreibung. Es wurden weder geeignete Instrumente noch Spuren der Abtreibungshandlung selbst gefunden. Die Gespräche mit dem Ehemann zeigten, dass er aufgrund seiner Kenntnisse wahrscheinlich nicht als Täter in Frage kam. Auch eine Selbstabtreibung durch die Frau, wobei der Ehemann sie nach dem Tod hätte ins Bett bringen müssen, wurde erwogen. Aber auch für diese Version gab es keine Anhaltspunkte. Die Ermittlungen liefen weiter. Auffällig war, dass der
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