Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
heruntergelassen, bereit zum Angriff. Kein Wunder bei dem Hintergrund. Sein Leben mit dem Tod der Mutter und der Flucht aus einem Krieg beginnen zu müssen und dann auch noch den Vater zu verlieren war einfach scheiße. Jungs in seinem Alter sollten sich neben der Schule eigentlich doch nur für Mädchen und Partys interessieren. Das Ganze war wirklich verflucht ungerecht.
»Wenigstens hat er diesen Doktor Andersen«, sagte Roland.
Er setzte zurück und hoffte, dass Liv die Zigarette bald nach draußen werfen würde, damit er die Fenster schließen konnte. Es war verdammt kalt im Auto und roch sauer nach altem Rauch.
»Dein Sohn ist doch ungefähr im gleichen Alter. Würde er sich daran erinnern, wann ihr euch zuletzt gesehen habt? Ich meine, an den exakten Tag und die Uhrzeit?«, fragte Liv mit der Kippe im Mundwinkel, als sie auf die Straße bogen.
»Nee, allenfalls an die Woche oder das Jahr«, erwiderte Roland mit einem Lachen. »Aber Teenager können ziemlich unterschiedlich sein. Der hier ist sicher nicht wie mein verwöhnter Peter, dem die Schule egal ist und der oft nachmittags die meiste Zeit damit verbringt, in den Kühlschrank zu glotzen. Safet hat einen ganz anderen Background, und er verhält sich dementsprechend auch vollkommen anders.«
Da war aber noch mehr. Sein Leben war voller Wut und Verbitterung. Und jetzt, da beide Eltern tot waren, musste schon ein Wunder geschehen, damit er nicht auf die schiefe Bahn geriet. Sein einziger Halt war die Schule, in der er aufzugehen schien, doch schloss er sich jetzt den falschen Freunden an, wäre es rasch um ihn geschehen.
Vor ihnen lag der Strandvej. Die Sicht war schlecht, dichter Nebel hing über der Landschaft, und feine Regentropfen tanzten vor Rolands Augen, bevor sie sich auf der Windschutzscheibe niederließen.
»Keine Fotos«, sagte Roland.
»Das ist mir auch aufgefallen.«
Roland listete alles auf, was er bemerkt hatte.
»Er hat ihn mehrmals Esad genannt und nie Papa oder Vater.« Er machte eine Pause. »Kann das kulturell bedingt sein?«
Liv sah ihn voller Skepsis an.
»Du hast recht. Wohl kaum.«
»Es standen nirgends Kaffeetassen herum, und die Kaffeemaschine ist in den letzten Tagen auch nicht benutzt worden«, sagte Liv.
»Dann hat der gute Doktor Andersen gelogen?«
»Das hat er wohl.«
Roland nickte schweigend. Eine Lüge kam selten allein.
»Sie haben nicht miteinander telefoniert, als der Vater in Kolding war«, fuhr Liv fort.
Roland drehte den Kopf und sah sie an.
»Vielleicht hatten sie sich verkracht?«
Roland dachte zum zweiten Mal an diesem Tag kurz an seinen Vater. Sie hatten sich nie entzweit, sondern immer nur irgendwie ertragen, weil … ja, warum eigentlich. Weil man das einfach so tat, wenn man miteinander verwandt war? Eine Familie?
»Das ist nicht ausgeschlossen. Väter streiten sich mitunter mit ihren Söhnen.«
Liv gähnte und streckte sich, was sie seltsamerweise nicht weniger attraktiv aussehen ließ.
»Ist dir aufgefallen, dass er mehrmals schrecklich allgemein geantwortet hat?«, fragte sie.
»Wie meinst du das?«
»Zum Beispiel Der Krieg bringt Menschen dazu, Verbrechen zu begehen … und so weiter. Menschen tun so etwas … er ist nie konkret geworden.«
»Vielleicht ist er einfach altklug?«, mutmaßte Roland.
»Weil er in Wirklichkeit keine Ahnung hat, wovor sein Vater sich gefürchtet hat?«, fuhr Liv fort.
Kein dummer Gedanke, dachte er. Ein paar Dinge waren wirklich etwas merkwürdig, aber seiner Meinung nach reichte das nicht aus, um einen Verdacht gegen den Jungen zu rechtfertigen.
»Du hältst ihn aber nicht wirklich für verdächtig, oder?«, fragte sie schließlich.
»Safet?«
Liv nickte.
»Tja, was meinst du?«, fragte Roland.
»Was sollte er für ein Motiv haben? Den einzigen Angehörigen, den er noch hat. Seinen Vater? Das ist schon weit hergeholt. Zu weit.«
Roland fuhr auf den Parkplatz vor dem Präsidium.
»Hast du niemals Lust gehabt, deine Eltern umzubringen?«, fragte er, als er den Motor ausgeschaltet hatte und sie noch einen Moment still im Auto saßen.
Liv lachte wie ein Kind. Ein dringend nötiges Lachen nach einem harten Abend. Ihre grünen Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und die fünf kleinen Sommersprossen tanzten auf ihrer Nase.
»Doch, das hatte ich … das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich es auch getan habe.«
Roland lachte nicht.
»Es gibt aber Leute, die das tun.«
7
M iroslav kam Roland entgegen, als er am Sonntagnachmittag durch die
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