Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
einer Reihe nebeneinander saßen, erhob sich der Polizeidirektor. Er war groß, ebenso kahlköpfig wie Roland, aber erheblich korrekter gekleidet. Sein Profil erinnerte Roland an einen Artikel, den er einst in der Illustrierten Wissenschaft über einen Adler gelesen hatte, dem der Schnabel abgeschossen worden war. Von einem Wilderer. Aber dann hatte ein barmherziger, tierliebender Ingenieur eine Prothese für ihn angefertigt, einen künstlichen Schnabel aus Nylon. Das Tier gehörte zur Familie der »Weißkopfseeadler« und wurde ironischerweise »Beauty« genannt.
Roland blinzelte mit den Augen. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er wollte so schnell wie möglich zu den Ermittlungen zurückkehren. Miroslav hatte ihn kurz vor der Pressekonferenz noch erwischt und ihm den Laptop von Esad Nuhanovic gezeigt, der endlich gekommen war. Roland wollte viel lieber hören, was Miroslav herausgefunden hatte, statt der talentlosen Schar von Polizisten mit all ihren Titeln zuzuhören, die heute hier aufgetaucht waren. Wozu? Um Gesicht zu zeigen? Um zu demonstrieren, dass sie eine Einheit waren? Rolands Erfahrung sagte ihm: Immer wenn jemand derart eifrig darauf bedacht war zu beweisen, wie wichtig er war, war der Grund in der Regel der, dass er es eben nicht war.
»Meine Damen und Herren, es freut mich außerordentlich, dass Sie sich so zahlreich hier versammelt haben«, begann der Polizeidirektor.
Roland nahm sich zusammen, während der Polizeidirektor seinen Blick schweifen ließ, einige Personen mit einem kurzen Nicken begrüßte und zugleich lautstark seine Freude darüber kundtat, Vertreter aller Medien zu sehen. Dann ging er auf die Moral und die Ethik der Presse ein. Nicht gerade die geschickteste Wahl, sie gleich zu Anfang zu beleidigen, wenn wir derart auf ihre Hilfe angewiesen sind, stöhnte Roland in seinem tiefsten Inneren, während der Polizeidirektor seine Rede fortsetzte.
»Mit Bedauern muss ich feststellen, dass Ihre Art, diese traurige und unangenehme Geschichte zu behandeln, vielfach von Sensationsmache geprägt ist, aber genug davon«, sagte er.
Unangenehm? Roland lachte innerlich, während der Polizeidirektor die Presse weiterhin darüber belehrte, dass diese Art von Verbrechen von besonders penibler Natur war und daher einer besonders vorsichtigen Handhabung bedurfte.
»Stattdessen wollen wir nun versuchen, das Geschwür aufzumachen, wenn man das so sagen darf. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, Antworten auf Ihre Fragen zu bekommen und eventuelle Fehler zu korrigieren.«
Der Polizeidirektor fuhr mit seiner Rede fort, während Per Roland zu einem Journalisten schaute, der eine SMS checkte. Auch die Vertreter der Presse wussten, dass das Wichtigste erst zum Schluss kam. Nur ein einzelner Journalistikstudent drüben in der Ecke notierte jedes Wort, das aus dem breiten Mund des Polizeidirektors kam.
»Außerdem können, ja, wollen wir nicht verheimlichen, dass wir für jede Form der Mithilfe aus der Öffentlichkeit bei dieser Ermittlung dankbar … nein, überaus dankbar sind. Kurz gesagt, wir brauchen diese Unterstützung.«
Der Polizeidirektor schaute zu Roland hinüber und wies mit dem ausgestreckten Arm auf ihn.
»Damit, meine Damen und Herren, möchte ich das Wort an meinen Kollegen weitergeben, Per Roland, Leiter der Ermittlungen und Chef der Spezialeinheit des NEC für Kriminalfälle mit hohem Gewaltpotenzial. Bitte, Per, du musst aufstehen, das Wort gehört dir.«
Per Roland lächelte sarkastisch, blieb sitzen und nickte den wenigen Journalisten zu, die er von früheren Fällen her kannte. Als Erstes wies er darauf hin, dass das Foto, welches sie am Eingang erhalten hatten, den Toten zeigte und vor fünf Monaten aufgenommen worden war.
»Das Opfer, Esad Nuhanovic, wurde zuletzt am Freitag, den 6. Februar, um 18 Uhr lebend gesehen, als er sein Haus verließ, um zu einem Ärztekongress nach Kolding zu fahren. Dort ist er jedoch nie angekommen. Wir suchen nach Personen, die ihn im Zeitraum vom 6. bis zum 11. Februar, an dem die Leiche gefunden wurde, gesehen haben. Vielleicht hat er getankt, vielleicht hat er irgendwo übernachtet, wovon wir nichts wissen.«
Anschließend bat Roland sie, das Foto zu publizieren und die Öffentlichkeit aufzufordern, sich an die Polizei zu wenden, sollte jemand diesen Mann, Esad Nuhanovic, vor, während oder nach besagtem Zeitraum gesehen haben. Er zeigte auf das Foto, das alle in der Hand hielten.
Besagtem Zeitraum? Woher kam das? Roland konnte sich
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