Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
um Leben zu retten.«
»Und das war wichtiger«, unterbrach sie Liv.
Doktor Lyngshøj kniff die Lippen zusammen.
»Wir sind nicht hier, um über Ihre Entscheidung zu urteilen. Wir wollen uns nur einen Überblick über Esad Nuhanovics letzte Tage verschaffen«, fuhr Liv fort. »Hat er mit der Spende ein bestimmtes Ziel verfolgt, kann die Auswahl des Patienten einen Grund haben, der uns weiterhilft?«
»Ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben«, sagte Doktor Lyngshøj, »ich habe keine Ahnung, was ihn bewogen hat.«
Miroslav bat sie darzulegen, wie alles abgelaufen war.
»Wie hat er Lars ausgewählt?«, fragte er.
»Er war sehr sorgfältig«, sagte Doktor Lyngshøj und erklärte, dass sie, nachdem sie überzeugt waren, dass Esad Nuhanovic sich in seinem Entschluss, eine Niere zu spenden, ganz sicher war, Blutproben genommen hatten, die im Gewebelabor in Århus untersucht worden waren. Es waren daraufhin zwei passende Patienten auf der Warteliste gefunden worden. Da er selbst Arzt war, hatte sie ihm die Unterlagen zeigen können. Er hatte mit beiden gesprochen, bevor er sich für Lars entschied. Warum die Wahl gerade auf ihn gefallen war, wusste Doktor Lyngshøj aber nicht. Abgesehen davon, dass er dachte, er würde noch eine Chance im Leben verdienen.
»Aber jetzt, wo er … jetzt, wo er tot ist, finde ich, die Menschen sollen wissen, dass er mein Leben gerettet hat«, unterbrach Lars sie. »Ich meine, mein Sohn hätte elternlos werden können«, sagte er, während der Junge die Autos jetzt oben auf der Bettumrandung frontal kollidieren ließ, gefolgt von einem gewaltigen Explosionsgeräusch.
Liv fragte, wie viele Kinder er habe.
»Nur das eine.«
»Was ist mit seiner Mutter?«
»Ja, sie …«
Lars geriet ins Stocken.
Seine Mutter übernahm.
»Lars ist allein aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen … mit Christian auf dem Arm.«
Liv ließ Lars ein paar Minuten, bevor sie fortfuhr.
»Wie ist das Treffen mit Esad Nuhanovic abgelaufen?«
»Ich muss zugeben«, antwortete Lars, »dass ich mich zuerst etwas erschrocken habe, als er zur Tür hereinkam. Er war … überwältigend.«
»Weil er Albino war?«, sagte Liv und sah Esad Nuhanovic vor sich. Sie hatte nur das Foto, das sie so viele Male an der Tafel im Kommandoraum angestarrt hatte, aber sie konnte sich vorstellen, dass er in Wirklichkeit überwältigend gewirkt haben konnte.
»Er war groß, und seine Haut war sonderbar hell und blass, das Gleiche traf auf die Haare zu und dann der rote Mund und die violetten Augen, wenn er die Brille abnahm. Das sah … ziemlich unheimlich aus«, sagte er. »Ich habe mich ständig gefragt, ob seine Niere wirklich zu mir passte. Aber die Ärzte hatten keinen Zweifel daran.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«, fragte Miroslav.
»Über alles Mögliche. Über meinen Hintergrund. Er hat mich auch nach meinem Kind gefragt … Ich glaube, das hat ihn am meisten interessiert.«
Liv spitzte die Ohren.
»Ihr Kind?«, fragte sie.
Lars nickte.
»Was haben Sie ihm erzählt?«, fragte Liv.
»Ich habe es so gesagt, wie es ist«, sagte er, »dass ich mit ihm allein bin. Auch wenn mir nicht klar war, was das mit seiner Entscheidung zu tun haben sollte, ob er mir seine Niere gibt oder nicht.«
»Wir sehen zum Glück keinerlei Anzeichen dafür, dass der Körper die Niere abstoßen wird«, unterbrach ihn Doktor Lyngshøj und legte eine Hand auf seine Schulter. »Und jetzt denke ich, die Besuchszeit ist vorüber.«
Sie machte Liv und Miroslav ein Zeichen mitzukommen. Der Patient brauchte Ruhe.
Sie standen auf und reichten Lars die Hand, der seinem Sohn einen Kuss gab. Auch die Großmutter erhob sich und nahm den Jungen mit aus dem Zimmer.
»Das war schon eine merkwürdige Geschichte«, sagte Doktor Lyngshøj, als sie draußen auf dem Gang standen. »Sein ganzes Auftreten war merkwürdig. Wir versuchen oft, den Wünschen der Spender, wie zum Beispiel so schnell wie möglich wieder arbeiten zu können oder etwas in der Art, entgegenzukommen, aber die Wünsche von Esad Nuhanovic waren so speziell, dass es schwer war, sie alle umzusetzen, ohne seine Gesundheit nach der Operation aufs Spiel zu setzen.«
»Was für Wünsche waren das genau?«, fragte Miroslav.
»Er wollte eine Niere spenden und es sollte vor dem 1. Februar passieren. Wir hatten nur einen Monat, um einen Empfänger zu finden. Das ist nicht besonders viel bei all den Untersuchungen, die wir durchführen müssen.«
Liv notierte sich das auf ihrem Block und
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