Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
trat auf die Bremse, als ein schwarzer Honda fast in sie hineingekracht wäre. Sie drückte die Hupe bis zum Anschlag durch.
»Der ist wirklich verdammt viel schneller gefahren, als es hier erlaubt ist«, entschuldigte sie sich, als Miroslav ihr einen der Blicke zuwarf, die man von seinen Mitfahrern am liebsten nicht ernten möchte.
»Es ist nicht so, dass ich noch nie etwas über die Bibel gehört hätte, aber du kannst das gern ein bisschen auffrischen«, sagte er dann.
Liv versuchte erneut, zwischen zwei Autos auszuscheren, als im gleichen Moment ein Fahrer hinter ihr abbremste und ihnen Platz machte.
»Endlich«, brummte sie und winkte der Frau im Toyota dankend zu. Dann erklärte sie, sie habe einen gläubigen Vater, der, als sie klein war, oft mit ihr in der Bibel gelesen habe.
»Paulus«, sagte sie.
»Da klingelt noch immer nichts bei mir.«
Liv setzte den Blinker. Sie fuhren wieder durch das schöne Südfünen und genossen die Aussicht über die hügelige Landschaft. Die Wettervorhersage im Radio versprach Schnee für die kommenden Tage.
»Das war der mit der Liebe. Er hat gesagt, dass die Liebe alles glaubt, alles hofft und alles erträgt«, erklärte sie und sah, dass Miroslav ihre Worte wiedererkannte.
»Das habe ich schon mal gehört«, sagte er.
»Gut«, sagte Liv und erzählte ihm die Geschichte von Paulus.
»Er war nicht perfekt«, sagte sie. »Er trug einen großen Schmerz in sich, da er selbst einmal die Christen verfolgt hatte. Er konnte es sich nicht vergeben, Christen getötet und Menschen Schmerzen zugefügt zu haben, mit denen zusammen er in den Himmel kommen sollte. In der Bibel steht über ihn, dass er ›einen Dorn im Fleisch‹ hatte. Niemand weiß genau, worauf der Dorn zurückzuführen war, es gibt viele Theorien, aber dreimal hat er Gott gebeten, den Dorn von ihm zu nehmen, aber Gott hat das nicht getan. Er bekam nur die Antwort: ›Meine Gnade ist dir genug.‹«
»Hm«, kam es von Miroslav.
»Mm«, antwortete Liv.
Miroslav sah sie an.
»Aber Esad Nuhanovic war doch verdammt nochmal Moslem, genau wie ich?«
17
A n der Hotelbar bekam Per Roland ein Bier, lehnte sich über die Theke und zog im Stillen ein Resümee. Doktor Mogens Boe Andersen war wohl das, was sie derzeit als ihren Hauptverdächtigen bezeichnen konnten. Sie hatten sein Haus durchsucht und auch dort Morphin gefunden, nicht so viel wie bei Esad, aber doch eine ansehnliche Menge. Er hatte behauptet, er habe das Zeug, um die Schmerzen seiner Frau zu lindern, als sie ihn damit konfrontiert hatten. Sie war unheilbar an einem Gehirntumor erkrankt. Aber Roland grübelte trotzdem weiter über das Morphin nach. Seine erste Theorie war die, dass es für den Weiterverkauf gedacht war. Dass die beiden Ärzte neben ihren Praxen einen kleinen Handel betrieben hatten. Und seine zweite? Nun ja, die gab es noch nicht.
Im gleichen Moment kamen Miroslav und Liv herein.
»Trinkt ihr eins mit?«, fragte er und winkte sie heran.
Miroslav lehnte dankend ab, er trank nicht und wollte lieber ins Bett, also setzten sich Liv und Roland allein an einen Tisch.
»Er hat einem Wildfremden eine Niere gespendet und die Bibel zitiert«, sagte Liv, als sie saßen und sie ein Bier vom Fass bestellt hatte.
Verdammt professionell bis in die Fingerspitzen, dachte Roland. Keine Zeit für Plaudereien.
»Waren wir uns nicht einig, dass er Moslem war?«, fragte er.
»Das ist ja das Merkwürdige«, antwortete sie, während sie ihren Hut abnahm und sich die Haare nach unten strich, so dass sie die Stirn umrahmten.
Nach und nach hatten sie einiges zusammengetragen. Vieles war noch unklar.
»Im letzten Monat ist er an mehreren Wochenenden nicht zu Hause gewesen, und wir wissen, was er gemacht hat«, sagte Liv und hielt Ausschau nach ihrem Bier.
»Das tue ich auch«, sagte Roland und glaubte eine Sekunde lang, von dem Gleichen zu reden wie Liv, bevor er seinen Fehler bemerkte. Liv erzählte von dem Besuch im Krankenhaus, von Lars, von Esad Nuhanovics Wahl, von seinem merkwürdigen Auftreten und davon, dass er das Krankenhaus nach der Operation viel zu früh verlassen hatte.
»Das erklärt auf jeden Fall zwei der Wochenenden im Januar, an denen er zur Voruntersuchung war und operiert worden ist«, sagte sie und schaute zu Roland hin, der ein paar Sekunden nachdenklich dasaß und von seinem Bier trank. Dann erzählte er, dass sie einen Anruf vom Eigentümer des Motels Østersøen in Åbenrå erhalten hatten.
»Er hat am Nachmittag angerufen und
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