Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
unterstrich mehrfach, dass es Esad Nuhanovic offensichtlich eilig gehabt hatte, eine Niere zu spenden. Warum?, schrieb sie dazu.
»Ich war kurz davor, ihn abzuweisen«, fuhr Doktor Lyngshøj fort. »Ich wusste einfach nicht, wie wir das schaffen sollten. Für die Bestimmung der Nierenfunktion müssen sowohl Blutproben genommen als auch Urin gesammelt werden. Es müssen ein Herz-Kardiogramm und ein Röntgenbild des Brustkastens gemacht werden. Außerdem müssen drei Untersuchungen der Nieren mit Röntgen und einem Spurenstoff für die Beurteilung des Aussehens und der Funktion sowie der Pulsadern der Nieren vorgenommen werden. Normalerweise erfordert das einen stationären Aufenthalt von einer Woche«, erklärte sie. »Er wollte aber nur für ein Wochenende kommen. Ich musste schon ein paar Hebel in Bewegung setzen, damit alles erfolgreich klappte.«
»Wann war das?«
»Am 9. und 10. Januar. Am Abend des 23. Januar, zwei Tage vor der Operation, haben wir die Blutproben genommen. Das muss bei Spender und Patient gleichzeitig erfolgen, um vor der Operation die Kreuzprobe zu kon-trollieren. Dann wird der Spender am Tag vor der Operation auf der gefäßchirurgischen Station T aufgenommen«, sagte Doktor Lyngshøj und wurde von Miroslav unterbrochen.
»War das bei Esad Nuhanovic auch der Fall?«
»Ja, darauf ist er eingegangen«, antwortete Doktor Lyngshøj.
Eingegangen. Die Wortwahl war bewusst erfolgt.
»Normalerweise behalten wir Spenderpatienten nach der Transplantation für eine Woche zur Beobachtung hier auf der Station, aber wieder wollte er nur über das Wochenende bleiben. Er sagte, es ginge ihm gut, und er müsse nach Hause, um sich um seinen Sohn zu kümmern.«
»Und Sie haben ihm nicht widersprochen«, konstatierte Liv.
Ein merkwürdiges Verhalten für eine Ärztin, die wohl wie kaum eine andere wusste, welche Komplikationen nach einer Operation auftreten konnten. Warum hatte er es so eilig gehabt, nach Hause zu einem Sohn zu kommen, zu dem er scheinbar kein gutes Verhältnis hatte, und warum hatte er Safet nichts von der Operation erzählt? Oder wusste Safet davon und hatte es nur nicht als relevant erachtet?
»Was konnte ich sagen? Der Mann war selbst Arzt. Ich habe versucht zu argumentieren, aber er hat mir einfach nicht zugehört. Ich wollte ihm schmerzstillende Präparate mitgeben, aber er wollte nicht.«
Livs Blick traf Doktor Lyngshøjs graue Augen. Die Geschichte quälte sie, und es hörte sich auch nicht danach an, als hätte sie es leichtgehabt mit diesem widerspenstigen Kerl, der selbst alles am besten zu wissen schien.
»Er hat schmerzstillende Mittel abgelehnt?«, fragte sie.
Doktor Lyngshøj nickte und erklärte, dass sie ihm angesehen habe, dass es ihm nicht gut ging, als er das Krankenhaus verließ.
»Der Schweiß rann ihm von der Stirn«, sagte sie.
Hatte Esad deshalb das ganze Morphin bei sich zu Hause gehabt? Hatte er es gebraucht, um nach der Operation die Schmerzen zu lindern, und hatte er vielleicht einfach zu viel genommen? Aber warum hatte er dann nur einen Einstich? Und warum diese Eile?
»Hat er gesagt, warum er es so eilig hatte?«
Doktor Lyngshøj schüttelte den Kopf.
»Nein, aber er hat etwas anderes gesagt, das mich verwundert hat.«
»Ja?«
Liv sah sie abwartend an.
Die Oberärztin erzählte, sie habe Esad Nuhanovic, als er schon auf dem Weg zur Tür hinaus war, ein letztes Mal gefragt, ob er ganz sicher sei, nichts Schmerzstillendes mitnehmen zu wollen.
»Er hat sich umgedreht und gesagt: ›Seine Gnade ist mir genug.‹«
»Seine Gnade ist mir genug?«, wiederholte Liv und notierte sich das Zitat, das sie sofort wiedererkannte.
»Ja.«
»War das alles?«
»Ja, er ließ uns ein Taxi zum Bahnhof bestellen, und seither haben wir nichts mehr von ihm gehört. Erst als ich in den Zeitungen von ihm las, musste ich wieder an ihn denken«, sagte sie. »In dem Artikel stand, dass man sich melden soll, wenn man Informationen darüber hat, was Esad Nuhanovic gemacht und wo er sich in der Zeit vor seinem Tod aufgehalten hat.«
»Das ist eine große Hilfe«, sagte Liv, ohne schon wirklich abschätzen zu können, wozu genau sie die neuen Informationen verwenden konnten.
»Sie geben mir Bescheid, wenn ich noch etwas tun kann«, antwortete Doktor Lyngshøj.
Ein paar Minuten später saßen sie wieder in Livs Mercedes und versuchten, sich durch den Verkehr auf einer der Hauptverkehrsstraßen von Odense zu quetschen.
»Das ist ein Zitat aus der Bibel«, sagte Liv und
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