Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
Schultern und sagte, dass er zumindest vergessen habe, sich zuerst auszuziehen.
Liv folgte ihm durch die Absperrung zu dem leeren Kai. Die Boote waren für den Winter an Land gebracht worden. Es regnete, und die Tropfen formten Ringe auf dem Wasser. Etwas entfernt schwamm eine Gruppe Enten und sah ihnen zu. Auch die ersten Schaulustigen waren aufgetaucht. Die Bediensteten standen neben einem am Boden liegenden Männerkörper, den ein Notarzt wiederzubeleben versuchte. Das Personal des kleinen Galerie-Cafés stand draußen auf der Terrasse. Alle beobachteten das Geschehen mit entsetztem Interesse. Der Arzt setzte zur Herzmassage an und meinte, einen schwachen Puls festgestellt zu haben. Die Rettungsleute machten die Trage klar.
»Bestimmt irgendein blöder Unfall«, sagte der Polizist und zeigte auf eine Läsion an der Stirn des Mannes, der sich bei dem Sturz ins Wasser an irgendetwas gestoßen haben musste.
Liv sah nach oben zur Brücke, über die sie gerade gefahren war. Konnte er von dort heruntergefallen und irgendwo angestoßen sein? Oder war er auf einen Gegenstand im Wasser gestürzt? Aber man fiel doch nicht einfach so von einer Brücke?
Sie studierte das Gesicht des apathischen Körpers, den der Arzt am Leben zu erhalten suchte. Er war jung. Vielleicht Anfang zwanzig. Durchtrainiert und mit kurz geschnittenen Haaren. Er trug Jeans und ein olivgrünes, eng sitzendes T-Shirt. Um den Hals hatte er eine Kette. Eine Hundemarke. Er war also Soldat. Auf beiden Seiten standen sein Name und seine Personenkennziffer. Für den Fall, dass er selbst nicht sprechen konnte oder nach einer Schlacht identifiziert werden musste. Eingeführt worden waren diese Marken, nachdem die Erfindung von Kanonen, Granaten und Maschinengewehren innerhalb kürzester Zeit Tausende von Menschenleben gekostet hatte und die neuen Waffen die Toten in einem solchen Grad verstümmelten, dass die Leichen hinterher nicht mehr identifiziert werden konnten. Die Idee war bereits während des amerikanischen Bürgerkriegs entstanden. Der Krieg war so gewaltsam und unpersönlich geworden, dass sich die Soldaten kleine Papierzettel mit ihrem Namen, ihrer Adresse und der Kompanie in die Taschen steckten, damit sie von den Bestattungseinheiten identifiziert werden konnten. Clevere Geschäftsleute hatten schnell erkannt, dass mit dem neuen Trend Geld zu verdienen war. Sie fingen an, kleine Metallschilder herzustellen, auf die die Namen der Soldaten gestempelt wurden. Die Schilder waren in zwei Teile geteilt. Wenn ein Soldat im Einsatz starb, sollten seine Kameraden den einen Teil abbrechen, mitnehmen und dem Unteroffizier übergeben. Auch dänische Soldaten wurden bei Auslandseinsätzen damit ausgestattet.
Christoffer Lorentzen, las Liv auf dem Schild. Nur noch der obere Teil war da. Wer hatte die andere Hälfte?
»Ein Soldat, der mitten im Februar im T-Shirt spazieren geht und zufällig ins Wasser fällt?«, sagte Liv laut.
Sie schauten zu ihr hoch, ohne etwas zu sagen. Der Arzt ließ den Soldaten auf die Trage legen, und als er hochgehoben wurde, sah Liv etwas aus seiner Hosentasche lugen.
Auch der Arzt bemerkte es und zog daran. Ein leeres Tablettenröhrchen. Er gab es dem Polizisten, der es schnell in eine kleine Plastiktüte packte.
Kodimagnyl, konstatierte Liv. In großen Mengen tödlich.
19
I ch weiß nicht, wo sie ist«, sagte die kleine Frau zum dritten Mal während des Verhörs unter Tränen. Ihre dünnen, feinen Haare begannen sich aufgrund der enormen statischen Elektrizität in dem Raum langsam aufzurichten, beobachtete Liv. Sie fuhr sich mit der Hand durch die eigenen Haare, die immer hochstanden, wenn sie den Hut abnahm. In diesem Moment lag er neben ihr auf dem Tisch.
Vor ihr saß Sara Trangbjerg, eine der beiden Frauen von dem Überwachungsfoto aus dem La Boîte. Nach ihrem Besuch in der Diskothek war Liv von Geschäft zu Geschäft gegangen und hatte das Foto Kunden und Angestellten gezeigt, und es hatte nicht lange gedauert, bis ihr eine Frau hinter dem Tresen eines Ladens erzählt hatte, dass sie die beiden kannte. Eine war Lehrerin an der Fortbildungseinrichtung für Jugendliche, ihrem Mann gehörte das Fox and Hounds Pub, eine der populärsten Bars von Åbenrå. Eine Art »Szene-Lokal« für Erwachsene. Die Frau und ihr Mann wohnten über dem Pub. Liv hatte einen Streifenwagen angefordert und gebeten, Sara Trangbjerg auf das Präsidium zu holen.
Die andere Frau auf dem Überwachungsfoto hieß Vibeke Lytzen. Sie war 48 Jahre
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