Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
Vibeke nie. Aber sie hatte dieses Happening geplant.«
»Das Happening?«
»Ja, oder die Aktion, oder wie immer Sie das nennen wollen«, sagte Sara Trangbjerg.
»Sie macht so was öfter, arrangiert Demonstrationen, befreit Tiere aus der Gefangenschaft und so weiter. Als sie noch jünger war, hat sie bei diesen Greenpeace-Aktionen mitgemacht. Sie wissen schon, bei denen man raus zu einem Atomtransport fährt und versucht, das Schiff zu stoppen. Sie ist immer sehr aktiv gewesen und hat fest hinter dem gestanden, an was sie glaubt. Dafür bewundere ich sie. Ich selbst habe nicht diesen Mut.«
»Aber was wollte sie von Esad Nuhanovic?«, fragte Liv.
»Entschuldigung, wen?«
Liv zeigte auf das Foto von Esad Nuhanovic.
»Heißt er so?«
»Ja. Wie hat er sich Ihnen gegenüber genannt?«, fragte Roland.
Liv hatte die Antwort bereits erraten, bevor Sara Trangbjerg reagierte.
»Paulus. Wir wussten natürlich, dass das ein Deckname war. Wir sind ja keine kompletten Idioten.«
»Fahren Sie fort«, sagte Liv.
Sie hatten verabredet, sich am 6. Februar um 23 Uhr mit Paulus in der Diskothek zu treffen, erklärte Sara Trangbjerg.
»Wir wollten ihn sehen und herausfinden, ob wir den Richtigen gefunden hatten.«
»Wie, den Richtigen?«, fragte Liv, und ihre Augen trafen sich mit den blauen Augen von Sara Trangbjerg.
Es war, als würde die Frau in der Sekunde, in der der Satz über ihre Lippen kam, zusammenbrechen.
»Den, der ihren Sohn getötet hat.«
20
I m Verhörzimmer herrschte Schweigen. Während sich Sara Trangbjerg die Tränen abwischte, hatte man ihnen eine Kanne Wasser und drei Plastikbecher hereingebracht. Unterdessen arbeitete es in Liv. Rache als Motiv, dachte sie, während sie zusammenfasste, was Sara Trangbjerg ihnen soeben erzählt hatte.
»Sie sagen also, Esad Nuhanovic habe den Sohn von Vibeke Lytzen umgebracht. Warum glaubt sie das?«, fragte sie.
»Vibeke war überzeugt, dass der Arzt der Mann war, der ihrem Sohn vor drei Monaten eine tödliche Injektion Morphin gespritzt hatte … Sie wollte Rache. Um jeden Preis.«
Sara Trangbjerg sah Liv eindringlich an, während sie erklärte, die Freundin habe ihr erzählt, ihr Sohn habe sich selbst an Esad Nuhanovic gewendet und ihn gebeten, seinen Leiden ein Ende zu bereiten.
»Seinen Leiden?«
Langsam begann das Ganze sich für Liv zu einem Bild zusammenzusetzen.
»Ihr Sohn litt an unheilbarem Bauchspeicheldrüsenkrebs, der in Lunge und Leber gestreut hatte. Er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde«, sagte Sara Trangbjerg. »Er ist nur 26 Jahre alt geworden.«
»Und er hat Esad Nuhanovic gebeten, ihm beim Sterben zu helfen?«
Die dünnen, blonden Haare wippten, als Sara Trangbjerg nickte.
Aktive Sterbehilfe, dachte Liv. Das erklärte das Morphin. Aber nicht die Menge.
»Warum hat sich der Sohn gerade für Esad Nuhanovic entschieden? Hatte er so etwas schon einmal gemacht?«
»Aber die haben doch diese Gruppe. Der Letzte Ausweg …«, sie sah verwirrt in die beiden fragenden Gesichter. »Sie wissen gar nichts?«
Sie legte beide Hände über den Mund und sah sie ungläubig an.
»Ich dachte, Sie wissen das alles«, sagte sie durch die Hände hindurch.
»Nein«, sagte Liv.
»Klären Sie uns auf«, kam es von Roland.
Die Hände verschwanden von Sara Trangbjergs Mund. Unsicher trommelte sie mit den Fingern auf den Tisch.
»Der Letzte Ausweg ist eine Gruppe, hinter der, soweit ich weiß, zwei Ärzte stehen. Sie helfen Menschen dabei, Selbstmord zu begehen.«
»Eine Selbstmordgruppe?«
»Ja, aktive Sterbehilfe.«
Euthanasie war das feine Wort, aktive Sterbehilfe ein anderes. Liv erinnerte sich, einmal von einer ähnlichen Gruppe in den USA gehört zu haben. In den Niederlanden war das offiziell erlaubt, und auch in der Schweiz gab es spezielle Kliniken, in die man gehen konnte. Aber in Dänemark? In Sønderborg?
»Und der Sohn von Vibeke Lytzen hat Kontakt zu dieser Gruppe aufgenommen?«, fragte Roland.
Sie wahrten beide ihre ruhige Fassade. Es war ein bisschen, als säße man einem Kind gegenüber. Es galt, ruhig zu bleiben, ungeachtet dessen, was aus ihrem Mund herauskam.
»Ja, Vibeke wusste, dass ihr Sohn Kontakt zu dieser Gruppe aufgenommen hat«, sagte Sara Trangbjerg.
Liv fragte, woher sie das wusste.
»Er hat es ihr erzählt.«
»Warum?«
»Er wollte gern, dass sie an seinem letzten Tag bei ihm war. Oder bei der letzten Reise, wie er es nannte«, sagte Sara Trangbjerg. Der Junge hatte seinen letzten Tag bis ins kleinste
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