Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
mit einem Geschirrtuch in der Hand in der Tür der Küche. Als Liv ihren Polizeiausweis zeigte, fiel ihr Gesicht in sich zusammen.
Vibeke Lytzen fragte, ob es unpassend sei, ihnen eine Tasse Kaffee anzubieten, und Liv antwortete, dass sie das gerne tun dürfe. Die Mutter verschwand in der Küche und Liv hörte, wie sie Wasser in einen Kessel laufen ließ.
»Vibeke Lytzen«, begann Liv, als sie sich an den Esstisch im Wohnzimmer gesetzt hatten, über dem eine PH-Lampe hing. »Wir müssen das nicht unnötig länger hinauszögern. Wir sind hier, weil wir Sie des Mordes an Esad Nuhanovic sowie des Überfalls auf Mogens Boe Andersen beschuldigen. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Vibeke Lytzen errötete leicht, sagte aber nichts.
Ihre Mundwinkel zeigten nach unten.
Anette lehnte sich vor.
»Das hier ist sehr ernst«, sagte sie.
Der Oberkörper der Frau sank leicht in sich zusammen, als würde die Luft aus ihr herausgesogen, aber sie schwieg noch immer.
»Wir haben einen Bissabdruck an Esad Nuhanovics rechtem Ohr gefunden, und wir haben Zeugen, die behaupten, dass diese Bisswunde von Ihnen stammt«, fuhr Liv fort. Dann informierte sie sie darüber, dass sie Grund zu der Annahme hatten, dass sie die Letzte war, die ihn lebend gesehen hatte, und dass sie wussten, dass sie den Tod ihres Sohnes rächen wollte. Daher verdächtigten sie sie auch des Mordes an dem Arzt und wollten sie mit aufs Präsidium nehmen, um sie dort ordnungsgemäß zu verhören.
Die rothaarige Frau schüttelte den Kopf und machte schließlich den Mund auf.
»Mit dem Mord habe ich nichts zu tun.«
»Dann stimmt es nicht, dass Sie sich an ihm rächen wollten?«
Die Frau nickte und sagte mutlos, sie wisse, dass sie zu weit gegangen war.
»Ich war nur so wütend. Er hat mein Kind getötet.«
Liv verstand sie und schloss für eine Sekunde ihre Augen, während Vibekes Mutter mit einem Kaffeetablett auftauchte. Sie schien geweint zu haben.
»Aber Ihr Sohn war krank. Sie hätten ihn trotz allem verloren«, antwortete Anette. »Die Lebenden zu bestrafen, bringt die Toten nicht zurück.«
Vibeke Lytzen starrte sie widerwillig an. Und Liv tat es ihr gleich. Verfluchter pädagogischer Ansatz. Hin und wieder schien er doch etwas fehlplatziert. Außerdem wusste man so etwas nie mit hundertprozentiger Sicherheit. Es gab Menschen, die auf wundersame Weise geheilt wurden. Als Mutter hatte Vibeke Lytzen wohl auf Letzteres gehofft.
»Haben Sie die Rocker angeheuert, um ihn umzubringen?«, unterbrach sie sie ein wenig härter als beabsichtigt. »Sollte er das gleiche Schicksal erleiden? Eine Überdosis Morphin? Und sollten die Rocker die Leiche anschließend beseitigen? Ist es so abgelaufen?«
Vibeke Lytzen sah sie empört an.
»Lust dazu hatte ich. Das kann ich nicht abstreiten.«
»Was ist bei Ihrem Treffen in der Diskothek La Boîte passiert?«
»Ich war so wütend, als wir uns mit ihm getroffen haben.«
Sie schwieg und schaute zu Liv hoch.
»Und dann habe ich ihn gebissen.«
»Was haben Sie anschließend getan, also nachdem man Sie aus der Diskothek geworfen hatte?«
Vibeke Lytzens farblose Lippen bewegten sich nicht einen Millimeter.
»Sind Sie ihm gefolgt?«, fragte Liv und lehnte sich im Stuhl nach vorn.
»Ich bin ihm nachgelaufen«, räumte Vibeke nach einer langen Pause ein. »Ich wollte nur mit ihm reden. Ihm verständlich machen, dass das, was sie tun, verkehrt ist.«
Sie sah zu ihrer Mutter, die ihnen Kaffee einschenkte, bevor sie fortfuhr: »Ich bin Christin und glaube, dass wir Menschen uns nicht zum Herrscher über das Leben machen dürfen, das Er uns als Geschenk gegeben hat. Wir sind nicht die Herrscher über Leben und Tod.«
»Das klingt vielleicht ein bisschen hart, aber Ihr Sohn hat diese Wahl doch selbst getroffen«, sagte Anette. »Er war ein erwachsener Mann und in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen.«
Um den Tisch wurde es still. Vibeke Lytzen rührte Zucker in ihren Kaffee, trank aber nicht.
»Ich verstehe gut, dass Sie glauben, ich hätte die Rocker angeheuert, ihn umzubringen … Ich lese ja auch Zeitung und weiß, was mit ihm passiert ist. Und glauben Sie nicht, dass ich auch Angst habe, dass genau das passiert ist? Aber das war nicht meine Absicht.«
Liv schüttelte den Kopf und sagte, dass derzeit sehr viel darauf hindeutete, dass es genauso gewesen sei. »Sie sind die Letzte, mit der das Opfer lebend gesehen wurde, Sie und Ihre Freundin. Und Sie sind ihm gefolgt, haben ihn ins Ohr gebissen. Haben Sie nach
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