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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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anmutenden, braunen Kreise angebracht, wie sie für die Mode der siebziger Jahre typisch gewesen waren. Das Schlimmste aber war der Schnitt: Selbst für Kluftinger, der sich nie zu Boxershorts als Unterhosen hatte durchringen können, war diese Hose eindeutig zu knapp. Ob er sich eine an der Kasse ausleihen sollte? Er hatte am Eingang ein Schild gesehen, das auf diese Möglichkeit hinwies. Aber der Gedanke, in einem Kleidungsstück zu stecken, das bereits einmal den Intimbereich eines Fremden berührt hatte, fand er noch abstoßender als die Vorstellung, sich mit dieser Hose in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
    Mit einem Seufzer, der aus dem tiefsten Inneren zu kommen schien, machte er sich daran, sich umzukleiden. Und das stellte sich in dieser engen Kabine als besonders schwierig dar. Als seine nackten Füße zum ersten Mal den Kabinenboden berührten, setzte er sich blitzschnell auf das kleine Bänkchen und zog die Knie an die Brust. Mit den Augen inspizierte er den Boden: Ein feuchter, dickflüssiger Film, gesprenkelt mit Flusen und gekräuselten Haaren, bedeckte die weißen Kacheln und in Kluftinger stieg ein Ekelgefühl hoch, das ihn an den aufkeimenden Brechreiz erinnerte, den er in mit ähnlich schmierigem Belag ausgestatteten Freibad-Toiletten immer verspürt hatte. Wenn er sich vorstellte, was für bevölkerungsreiche Keim-Kolonien sich in jedem Tropfen dieser Flüssigkeit tummelten … Vor allem vor Fußpilz hatte er eine Heidenangst, seitdem er einmal gehört hatte, dass der auch den Knochen angreifen könne.
    Im Folgenden achtete er also peinlich darauf, den Boden bis zur gänzlichen Umkleidung nicht mehr zu berühren, was ihm einige spektakuläre Verrenkungen abverlangte, besonders beim Anziehen der Badehose. Schließlich schlüpfte er wieder in seine Haferlschuhe, nahm Markus’ altes Bussi-Bär-Badetuch, das sich ebenfalls in der Tasche befand, legte es sich fatalistisch seufzend um die Schulter, packte seine Kleidung ein und wollte nach draußen gehen. Da fiel sein Blick in den Spiegel.
    Es war schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte: Sein Bauchansatz, wie er ihn so gern verharmlosend nannte, hing vorne so weit über die Badehose, dass sie nur noch zum Teil zu sehen war. Die Gummizüge der Hose schnitten sich tief in seine bleichen Beine, was die nackte Haut drumherum besonders stark hervorquellen ließ. Hinten verdeckte der Slip gerade so viel, wie nötig war, um nicht als Exhibitionist am Eintritt in den Schwimmbereich gehindert zu werden. Kluftinger erinnerte sich wehmütig an die Zeit, als die Hose noch nicht ganz so eng gesessen hatte. Dass die orange Farbe seine Haut noch käsiger erscheinen ließ, registrierte er schon gar nicht mehr.
    Vorsichtig öffnete er den Verschluss der Kabinentür und spitzte nach draußen. Sein Handtuch drapierte er so, dass es möglichst viel von seinem Körper verhüllte. Zaghaft lenkte er seine Schritte in Richtung der Schließfächer.
    »Mami, guck mal, der komische Mann!«, hörte er hinter sich ein Kind rufen, worauf er knallrot anlief und nicht wagte, sich umzudrehen, um zu überprüfen, ob der Ausruf ihm galt.
    »Ja wo bleiben Sie denn, mein Guter … « Langhammer erwartete ihn bereits am Eingang zu den Duschen. Er musterte den Kommissar von oben bis unten, zeigte auf seine Schuhe und sagte: »Mit denen können Sie aber nicht hinein.«
    Das wusste Kluftinger natürlich, aber er wollte sie zumindest so nahe wie möglich an die Desinfektionsdüse stellen, die normalerweise in jedem Bad installiert war. Nachdem er seine Kleidung in einem Schließfach verstaut hatte, stapfte er mit Schuhen und Handtuch bis an den Eingang zum Duschbereich, lehnte sich hinein und erblickte tatsächlich eine solche Vorrichtung. Er zog seine Schuhe aus, trug sie bis zur Brause und suchte dann nach einem sicheren Ort, an dem er sie platzieren könnte. Sein Plan war, sie beim Hinausgehen unmittelbar nach der Desinfektion wieder anzuziehen. Er fand eine Ablage mit einigen Handtüchern, auf die er seine Schuhe stellte.
    Nach einer Desinfektion, die länger dauerte als seine anschließende Dusche, folgte er dem Doktor, der bereits in der Türe zum Bad verschwunden war.
    Als auch er das Hallenbad betrat, nahm er zwei Dinge auf einmal wahr: Erstens den schier unerträglichen Lärm, ein Gemisch aus spitzen Schreien, dumpfem Grollen und unaufhörlichem Plätschern. Zweitens: den Doktor. Braun gebrannt stand er in einer eng anliegenden, mintgrünen Short am Beckenrand, und obwohl

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