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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Polizei gewesen war, etwas gekürzt und ihrem Sprössling angezogen. Und zwar von Oktober bis März. Ein gefundenes Fressen für die anderen, normal gekleideten Kinder, die ihn deswegen andauernd verlacht hatten. Und dann konnte er auch nicht tauchen. Nach etwa zehn Sekunden unter Wasser hatte er immer den hochroten Kopf aus dem Wasser strecken müssen, um wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft zu japsen.
    »Na, Sie können’s wohl kaum noch erwarten?«
    Eine Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt und an der Stimme und den manikürten Nägeln erkannte er, dass es die von Dr. Martin Langhammer war. Kluftinger drehte sich um und versuchte ein Lächeln als Antwort auf Langhammers Vermutung, die nicht weiter von der Realität hätte entfernt sein können.
    »Grüß dich«, sagte seine Frau, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und drückte ihm eine Ledertasche, begleitet von den Worten »deine Badesachen«, in die Hand.
    Er hatte sie gebeten, ihm die Hose mitzubringen, da er das ganze natürlich wieder verschwitzt oder verdrängt hatte und ohne Badekleidung ins Büro gefahren war. Insgeheim hatte er darauf gehofft, dass seine Frau es auch vergessen würde, aber eigentlich wusste er, dass das eine trügerische Hoffnung war, denn in solchen Dingen war Erika absolut zuverlässig. Sie hatte immer die Koffer für ihre Urlaubsreisen gepackt und in all dieser Zeit hatten sie noch nie irgendetwas vergessen.
    »Danke«, entgegnete er leise.
    Schnellen Schrittes liefen die anderen auf den gewölbten, hell erleuchteten Glasbau zu, der auf Kluftinger wie ein Wal wirkte, in dessen gefräßig aufgesperrtes Maul sie nun traten, zum größten Teil fröhlich lachend.
    Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, umfing sie sofort schwül-warme Luft, deren Temperatur um mindestens dreißig Grad über der im Freien zu liegen schien. So jedenfalls empfand es Kluftinger, und ihm entging auch nicht der charakteristische, beißende Chlor-Geruch. Er dachte kurz daran, allmählich mit dem Vortäuschen einer Chlorallergie zu beginnen, was sein Badeproblem ein für alle Mal lösen würde.
    Langhammer ging als Erster an die Kasse.
    »Viermal bitte«, sagte er und sofort protestierte Erika Kluftinger.
    »Kommt ja gar nicht in Frage. Wir laden euch heute ein. Das wisst ihr doch. Als kleines Dankeschön für das Quartier, das ihr uns zwei Obdachlosen gewährt habt, als unser Bad kaputt war. Bad gegen Bad, das war ausgemacht.«
    »Ach, das war doch selbstverständlich. Ich würde trotzdem gern … «
    »Nein, nein und nochmals nein. Jetzt sag du doch auch mal was.« Erika stieß ihrem Mann den Ellenbogen in die Seite. Er hatte gerade die Preistafel studiert und auch wenn Langhammer wohl der Mensch war, von dem er sich am wenigsten gern einladen ließ
    – hier hätte er ihn zahlen lassen. »Ja, also … nein, das machen wir schon«, protestierte er halbherzig. »Viermal eine Stunde bitte.« »Ach was. Jeweils zwei Stunden bitte. Mindestens«, mischte sich seine Frau ein.
    Und Langhammer rief von hinten: »Vergiss die Sauna nicht!«
    »Nein, ich denk schon dran. Mit Sauna, bitte.«
    Als Kluftinger das Wort »Sauna« vernahm, erstarrte er. Er hatte sich innerlich mit dem Gedanken abgefunden, sein leicht aus der Form gekommenes Hinterteil und seinen recht ausladenden Bauch in einer Badehose zur Schau zu stellen, aber von einer Sauna war bisher nie die Rede gewesen.
    »Nur dreimal. Für mich keine Sauna.«
    Den fragenden Blick seiner Frau beantwortete er prompt: »Die Sauna ist mir viel zu heiß. Und ich weiß auch nicht, ob mein Kreislauf das im Moment mitmacht«, zischte er. Dass er schlicht und einfach damit Probleme hatten, sich vor anderen Menschen gänzlich zu entkleiden, behielt er für sich.
    »Ach, Sie haben ja einen guten Arzt dabei«, tönte Langhammer aus dem Hintergrund. Gute Ohren hatte er also auch. »Viermal«, sagte seine Frau zur Kassiererin in einem Tonfall, der deutlich signalisierte, dass die Diskussion damit beendet war.
    ***
    Wenige Minuten später stand Kluftinger in einer der viel zu engen Kabinen und packte die Tasche aus, die ihm seine Frau mitgegeben hatte. Der Anblick der Badehose traf ihn unvermittelt und wirkte wie ein kleiner Schock: Gut, er hatte schon ein paar Jahre lang keine mehr angehabt, aber er war sich sicher, dass er noch andere zu Hause hatte. Die, die Erika ausgesucht hatte, war in seinen Augen der größte anzunehmende Hosenunfall: Auf dem in orange gehaltenen Grund waren diese psychedelisch

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