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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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er sogar ein paar Jährchen älter war als Kluftinger, erkannte er kaum ein Gramm Fett an seinem Körper. Er war nicht sehr muskulös, aber drahtig, was die zahllosen Kilometer erahnen ließ, die er in den letzten Jahren gejoggt sein musste. Als er sich umdrehte und Kluftinger sah, grinste er mit seinen perfekten, sicherlich bekronten Zähnen und winkte den Kommissar zu sich her. Kluftinger hasste ihn in diesem Moment mehr denn je.
    Gleichzeitig mit dem Kommissar waren auch die zwei Frauen aus der Dusche gekommen.
    »Wir wollen gleich mal das Dampfbad ausprobieren, kommt ihr mit?«, fragte Annegret, die einen schwarzen Badeanzug trug, der ebenfalls eine gute Figur erkennen ließ. Erika hatte zwar ein etwas veraltetes Modell mit blauen Blümchen an, aber auch sie brauchte sich nicht zu verstecken. Kluftinger hatte das Gefühl, der einzig übergewichtige Mensch der ganzen Welt zu sein. Er hoffte inständig, in den folgenden zwei Stunden keine weiteren Bekannten zu treffen.
    »Ach nein, geht ihr mal, wir Männer erkunden erst einmal die restliche Badelandschaft«, antwortete der Doktor. »In einer halben Stunde wieder hier, gut?«
    Kluftinger blieb auch gar nichts erspart. Er wusste nicht, wie er die halbe Stunde allein mit dem Doktor hier herumbringen sollte.
    »Waren Sie auch noch nie hier?«, versuchte er, Konversation zu machen, auch wenn es ihn eigentlich nicht interessierte.
    »Doch, doch. Ich dachte nur, die Frauen sollten mal ins Dampfbad gehen und wir machen ein paar … Männersachen, was?«
    Bei diesen Worten blinzelte ihm der Doktor mit einem Auge zu. Kluftinger hatte keine Ahnung, was er ihm damit sagen wollte, aber er fragte auch nicht nach.
    »Wissen Sie was? Jetzt gehen wir erst einmal auf die Aussichtsplattform, da haben wir einen tollen Überblick über das Ganze hier.«
    Der Vorschlag gefiel Kluftinger, zumal er dann derjenige war, der auf die Leute herunterschauen konnte, nicht umgekehrt.
    »Ihr Handtuch lassen Sie am besten hier.«
    Kluftinger legte es widerstrebend neben die Treppe, die offensichtlich zu der genannten Plattform führte, nicht jedoch, ohne es vorher noch so hinter einen dort stehenden Blumenkübel zu schieben, dass es nicht gesehen werden konnte. Einen Handtuchklau hätte er heute wohl nicht mehr verkraftet. Dann folgte er dem Doktor auf die steile Treppe, die sich in mehreren Kurven nach oben schlängelte. Von hier aus betrachtet, sah das Bad wirklich sehr eindrucksvoll aus, mit seinen vielen beleuchteten Becken, den Bäumen, die überall herumstanden, und dem gewaltigen gläsernen Dachgewölbe. Kluftinger, der den Ausblick sichtlich genoss, merkte gar nicht, dass Langhammer vor ihm stehen geblieben war, und stieß gegen den Rücken des Doktors. Wie von der Tarantel gestochen, machte er einen Satz zurück. Nach Kluftingers Meinung hatten sie sich eindeutig mit zu viel Haut berührt.
    »Nicht schlecht, was?«, sagte Langhammer und machte dabei eine ausladende Handbewegung, als würde das ihnen zu Füßen liegende Bad ihm gehören.
    Kluftinger nickte.
    »Also dann: wieder runter.«
    »Schon?«
    »Na, hier können wir schlecht bleiben«, sagte der Doktor und trat einen Schritt zur Seite. Statt auf die erwartete Aussichtsplattform blickte Kluftinger auf ein winziges Plateau und in ein etwa ein Meter hohes, schwarzes Loch. »Black Hole« stand passenderweise darüber. Und darunter etwas kleiner »122 Meter«.
    Er brauchte ein, zwei Sekunden, dann begriff er.
    »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich da … «
    »Natürlich, mein Guter, wie denn sonst. Macht einen Heidenspaß!«
    Mit diesen Worten machte der Doktor einen Satz und sprang mit Wucht auf den Eingang der Wasserrutsche zu. Zwei Sekunden später hatte ihn das schwarze Loch verschluckt.
    Das hat er mit Absicht gemacht, war sich Kluftinger sicher. Er hatte jedoch nicht vor, sich in die unbekannte Tiefe zu stürzen, und wandte sich um, um den Rückweg über die Treppe anzutreten. Doch hinter ihm hatte sich bereits eine beträchtliche Schlange gebildet, an deren Spitze zwei junge Mädchen ungeduldig darauf warteten, an die Reihe zu kommen. Die Gedanken in Kluftingers Kopf überschlugen sich: Er versuchte die Furcht, die er vor dem Unbekannten hatte, gegen die Blamage abzuwägen, sich an allen Wartenden vorbei die enge Treppe nach unten zu zwängen. Er war, auch wenn sein Beruf manchmal brenzlige Situationen mit sich brachte, kein mutiger Mensch, jedenfalls privat, und wenn es darum ging, sich in irgendwelche Achterbahnen

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