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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Kommissar mehr vor ihr, als es ihm vor dem Hund gegruselt hatte.
    Er versuchte, sich von seinem Gemütszustand nichts anmerken zu lassen, und machte ein paar Schritte auf die Frau zu. Als er vor ihr stand, setzte er zum gleichen Satz an, den er bereits ihrem Mann gesagt hatte: »Frau Urban, Sie sind verhaftet wegen … «
    Weiter kam er nicht, denn ansatzlos ließ sie ihre Hand in Kluftinger Gesicht klatschen. Der Kommissar war wie betäubt von dem plötzlichen Schmerz. Mehr noch aber fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Während er wie angewurzelt dastand, sprintete hinter ihm Maier vorbei und packte Hiltrud Urban unsanft an den Schultern. Innerhalb weniger Sekunden hatte er ihr Handschellen angelegt und stieß sie nun vor sich in Richtung Wohnzimmer.
    »Wo ist Horst Möbius?«, stellte Kluftinger noch einmal seine Frage von eben, nachdem das Ehepaar unsanft in zwei Stühle am Tisch gestoßen worden war. Doch er erhielt keine Antwort. Bevor Kluftinger die Frage wiederholen konnte, tippte ihm Strobl von hinten auf die Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Kruzifix«, zischte Kluftinger. Dann wandte er sich wieder den beiden vor sich zu: »Wo ist Ihr Sohn? Ist er mit seinem Wagen weg? Hat er Möbius bei sich?«
    Wieder gaben sie keine Antwort.
    Die Verzweiflung über seine ohnmächtige Lage wuchs sich zur Panik aus. Unkontrolliert begann Kluftinger zu schreien:
    »Zefixnoamal, wo ist Ihr Sohn? Machen Sie’s doch nicht schlimmer! Es ist vorbei! Vorbei, hören Sie?«
    Jetzt mischten sich auch die anderen Polizisten ein. Von allen Seiten schrieen sie auf das Ehepaar ein, bellten mit hochroten Gesichtern immer wieder dieselben Fragen: »Wo ist Ihr Sohn? Wo ist Möbius?«
    Sie hielten schlagartig inne, als die beiden ihre Münder öffneten und anfingen zu reden. Doch sie beantworteten nicht etwa die Fragen der Polizisten – sie beteten. Ganz leise begannen sie, im Chor das »Vater Unser« aufzusagen.
    Kluftinger verlor erneut die Beherrschung: »Gerechtigkeit ist eine Sache Gottes, Herr Hartmann. Aber ganz bestimmt nicht Ihre«, sagte er und er war so in Rage, dass er dabei spuckte.
    Als Kluftinger die höhere Gerechtigkeit ins Spiel brachte, sah der Richter zum ersten Mal auf.
    »Gerechtigkeit?«, fragte er leise, »Sie haben keine Ahnung, was Gerechtigkeit ist. Fiat justitia!«
    Kluftinger kamen die Worte bekannt vor. Es waren dieselben, die auf dem großen Gemälde im Foyer des Gerichtsgebäudes standen.
    Es war mucksmäuschenstill in dem Zimmer. Die Beamten hielten den Atem an. Man hätte eine Sense über feuchtes Gras mähen hören können, dachte der Kommissar. Sein Sarkasmus funktionierte noch, was er für ein gutes Zeichen hielt.
    »Schluss mit dem Geschwätz. Sie werden mir jetzt sagen, wo Möbius ist.«
    Der Richter sah ihn lange an, dann antwortete er: »Sie werden Gottes Gerechtigkeit nicht aufhalten.«
    Kluftinger hatte das dumpfe Gefühl, dass er Recht hatte. Doch er wollte sich nicht einfach so in sein Schicksal fügen.
    »Bringt sie weg«, trug er den Kollegen auf, die das Ehepaar sofort packten und nach draußen schoben.
    »Eugen, sei so gut und fahr mit. Vielleicht kriegst du sie auf der Fahrt weich. Wir müssen alles versuchen. Roland? Gib eine Fahndung nach dem Wagen und dem Sohn raus. Und die sollen das Haus noch mal auf den Kopf stellen. Außerdem sollen ein paar Kollegen nach Oberthingau fahren und sich dort bei der Kirche auf die Lauer legen. Wenn es nach dem gleichen Muster abläuft, taucht er dort wieder auf, wo die Sage spielt.« Und als wollte er sich selbst Mut machen, schob er noch nach: »Den finden wir schon.«
    Als er nach draußen ging, stieg Hiltrud Urban gerade in den grün-weißen Bus ein. Kluftinger ging an ihnen vorbei und nickte Strobl noch einmal zu. Als er sah, dass der Richter ihn anstarrte, streckte er seinen Arm aus, zeigte mit dem Finger auf den Richter und sagte noch einmal: »Wir finden ihn, Hartmann!«
    Hartmann schüttelte nur den Kopf. Sein letzter Satz, bevor er ebenfalls im Bus verschwand, ließ dem Kommissar das Blut in den Adern gefrieren: »Geben Sie sich keine Mühe. Seine Sense ist schon gedengelt.«
    ***
    Kluftinger fühlte sich elend, als er hinter Maier und Hefele im Wagen Platz nahm. Zwar hatten sie den Fall soeben gelöst. Doch noch kam nicht einmal ein Anflug von Zufriedenheit auf. Nur ein Gedanke beherrschte die drei Kommissare im Auto: Der bevorstehende Mord musste verhindert werden. Um jeden Preis!
    Wie ein Mantra wiederholte Kluftinger im

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