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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Situation zu retten und Annegret sprang ihr mit einem »Noch was zu essen?« bei, das die Männer aber einfach überhörten. Es bahnte sich ein Duell an, bei dem den Frauen nur noch die Rolle der Zuschauer oder bestenfalls der Sekundanten zugedacht war.
    »Also gut, wenn Sie meinen, mischen Sie halt«, sagte der Doktor etwas beleidigt.
    »Ist ja nicht gegen Sie«, erwiderte Kluftinger und schrieb sich selbst einen Treffer zu. Eins zu eins.
    Nachdem Kluftinger die Karten etwa eine Minute lang sorgfältigst gemischt hatte, wobei er nacheinander die verschiedensten Techniken angewandt hatte, nahm er die oberste vom Stapel, begutachtete die Frage und las dann gut gelaunt vor: »Was sind Chloroplasten?« Dann legte er ebenfalls die Karte auf den Tisch und blickte Langhammer in die Augen. Der hielt dem Blickkontakt stand, schien aber noch nach der richtigen Antwort zu suchen. Die beiden Männer belauerten sich wie zwei Cowboys bei einem Pistolenduell. Dann zog Langhammer: »Chloroplasten sind winzige grüne, kugelförmige Strukturen, die in Blättern, Stängeln und anderen pflanzlichen Geweben enthalten sind. Sie sind für die Photosynthese von Bedeutung, ein Prozess übrigens, bei dem unter Anwesenheit von Chlorophyll aus Wasser und Kohlendioxyd Zucker und Sauerstoff hergestellt werden.«
    Kluftinger zuckte ob der Wortgewalt der Langhammer’schen Antwort zusammen. Nervös versuchte er, die Karte von der Glasplatte des Tisches aufzuheben, was ihm erst im dritten Anlauf gelang. Er las sich die Antwort durch und musste schlucken: Der Doktor hatte völlig Recht. Zwei zu eins.
    »Entschuldigung, mal kurz austreten«, sagte Kluftinger, erhob sich vom Tisch, ohne die Anwesenden noch einmal anzublicken, und verschwand aus dem Zimmer. Schnell lief er die Treppe hinauf und ging nach verrichteter Toilette noch kurz ins Gästezimmer. Einen Augenblick Ruhe wollte er sich vor der Fortführung des Kampfes noch gönnen. Er setzte sich aufs Bett und atmete tief durch. Das war ja ziemlich in die Hose gegangen, dachte er sich und verfluchte sich für seine Idee mit dem Mischen der Karten. Dadurch hatte er dem Doktor einiges an Oberwasser verschafft. Aber so war das eben, wenn er Hunger hatte. Dann wurde er unberechenbar.
    Da fiel ihm der Wurstsalat ein. Natürlich: Ein paar Bissen, und es würde ihm gleich besser gehen. Frisch gestärkt wollte er dem Doktor noch ein paar Punkte abtrotzen. Er kramte die Tupperdose aus seiner Arbeitstasche, öffnete sie und atmete den säuerlichen Duft, der ihm entgegenstieg, tief ein. Seine Frau wusste, wie man einen richtig guten Wurstsalat machte: viel Zwiebeln, wie bei seinen Kässpatzen, Käse und natürlich dick von Hand aufgeschnittene Lyoner. Selbstverständlich mit reichlich Soße. Und ein paar Essiggürkchen. Die durften bei ihm auf keinen Fall fehlen, auch wenn es sich damit streng genommen um keinen echten Wurstsalat mehr handelte. Wenn ihn, was schon öfter vorgekommen war, jemand darauf hinwies, konterte er immer mit dem Kalauer: Das ist mir wurscht!
    Erst jetzt fiel Kluftinger auf, dass er vergessen hatte, Besteck mitzunehmen. »Kruzifix«, fluchte er, denn in die Küche seiner Gastgeber konnte er jetzt nicht mehr gehen, die befand sich direkt neben dem Wohnzimmer. Er sah sich im Zimmer um.
    Sein Blick blieb an der Nagelschere hängen, die auf dem kleinen Tischchen neben dem Kleiderschrank lag. Das musste jetzt einfach genügen, dachte er sich. Sein flaues Gefühl, das sich inzwischen zu einem nennenswerten Unterzucker ausgewachsen hatte, ließ ihn bei der Wahl seiner Hilfsmittel nicht gerade wählerisch werden. Er griff sie sich, hielt sie kurz unter den Wasserhahn und stocherte damit im Salat herum. Zu seiner Überraschung erwies sie sich als praktikabler Gabel-Ersatz.
    Beim ersten Bissen schloss Kluftinger seine Augen und gab einen Grunzlaut von sich, so gut schmeckte ihm das deftige Essen nach den »leichten Canapés« von vorhin. Zufrieden piekte er mit seinem Werkzeug jeweils ein Stück Käse und ein Rädchen Wurst auf und drapierte gekonnt einige Zwiebelringe darüber, wobei er sich tief über die Schüssel beugte und nach Herzenslust schmatzte.
    »Herr Kluftinger, hallo! Sie sind dran. Sie werden sich doch nicht verstecken, oder?« Der Doktor klopfte an die Tür des Gästezimmers. Kluftinger zuckte derart zusammen, dass die Schüssel in seinen Händen einen kleinen Satz machte, wodurch etwas Soße auf das Laken schwappte.
    »Ich komme gleich«, presste Kluftinger schnell mit vollem

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