Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
Vom Netzwerk:
nicht, wie er diesen Abend überstehen sollte.
    »Braun, sehr gut«, frohlockte der Doktor, der seit Spielbeginn so richtig in seinem Element war, und rieb sich die Hände. Die Sitzordnung hatte es mit sich gebracht, dass Langhammer Kluftinger die Fragen vorlas, was diesen noch mehr zu freuen schien als die Momente, in denen er sein eigenes Wissen zum Besten geben konnte.
    »Kunstgeschichte«, flüsterte der Doktor, zwinkerte Kluftinger zu und zog mit spitzen Fingern ein Kärtchen aus dem Stapel.
    »Oh, eine Frage aus dem Barock, sehr schön, sehr schön. Meine Lieblingsepoche.«
    Das konnte Kluftinger nicht gerade behaupten. Tatsächlich interessierte er sich für Barock so sehr wie für dänische Rassehunde.
    Langhammers Freude blieb aber auch von der verhaltenen Reaktion seines Gegenübers unberührt. Er holte – wie vor jeder Frage in der letzten Viertelstunde – tief Luft, setzte sein Quizmaster-Gesicht auf, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass er durch seine halbe, randlose Lesebrille auf die Karte guckte, und fragte in feierlichem Tonfall: »Welcher Name verbindet sich mit dem so genannten«, hier machte er eine kurze Pause und blickte Kluftinger an, um dann weiterzulesen »flämischen Barock?«
    Kluftinger erstarrte. Jetzt war es also so weit. Jetzt hatte Langhammer das, worauf er die ganze Zeit gewartet hatte: Er hatte keine Ahnung. Ein böhmisches Dorf kam ihm im Gegensatz zu dieser Frage wie seine eigene Nachbarschaft vor. Winzige Schweißtröpfchen quollen aus den Poren seiner Stirn.
    Er ballte seine Hände unter der Tischplatte zu Fäusten und verkrampfte sich noch mehr, als er sah, dass sich die Mundwinkel des Doktors mit jeder Sekunde, die er überlegte, weiter nach oben schoben. Demonstrativ legte der die Karte mit der Frageseite nach oben auf den Tisch. ›Ich kenne die Antwort, deswegen schaue ich gar nicht erst nach‹, sollte das heißen. Seine Oberlippe fing an zu schwitzen. Er versuchte es mit kriminalistischem Gespür. Flämisch, was wusste er über flämisch? Flammkuchen? Hatte das was mit flämisch zu tun?
    Kluftinger wünschte sich, er hätte wenigstens mehrere Antworten zur Auswahl, so wie das bei den Millionen-Shows im Fernsehen war. Dann hätte er möglicherweise im Ausschlussverfahren eine Lösung gefunden. Aber sicher war dem Doktor das zu profan. Kluftinger und seine Frau jedenfalls sahen sich »Wer wird Millionär?« regelmäßig an. Zwar hatte der Kommissar auch bei dieser Gelegenheit manchmal das Gefühl, nicht über eine wirklich umfassende humanistische Bildung zu verfügen und musste sich hin und wieder eingestehen, dass ihm Erika in einigen Bereichen voraus war. Oft riet er dann einfach herum, überlegte lautstark zwischen zwei Lösungen hin und her, um dann bei der Auflösung seiner Frau triumphierend mitzuteilen, dass er es ja gleich gesagt habe. Unangenehm wurde es nur, wenn er felsenfest von einer Lösung überzeugt war, die sich danach als falsch herausstellte. Dann gab er gern vor, nur die Frage nicht richtig verstanden zu haben oder er ging sich einfach ein Bier holen.
    Und manchmal, auch wenn er sich das nicht eingestehen würde, mutierte er selbst zu einem kleinen Langhammer: Nur zu gern ließ er sich dann über die Leute aus, die nicht einmal wussten, dass Lissabon die Hauptstadt von Portugal war, was er wiederum wusste, seit er einmal im Reisebüro einen Flug dorthin mit den Worten »Nein, Spanien ist mir wirklich zu heiß!« abgelehnt hatte.
    Jetzt forderte aber das Spiel vor ihm seine ganze Aufmerksamkeit. In seiner flämischen Angelegenheit kam er einfach keinen Deut weiter. Wenn er wenigstens jemanden hätte anrufen können! Aber wen? Eigentlich fiel ihm nur einer ein, der das hätte wissen können und den er nicht einmal dann anrufen würde, wenn es darum ginge, vor einem rotchinesischen Erschießungskommando einen Bürgen zu bestellen: Langhammer.
    Das einzige, was ihm spontan zu Barock einfiel, waren Bach, die Wieskirche und die Kemptener Residenz. Nun war das alles aber vermutlich überhaupt nicht flämisch.
    »Es ist eine schwierige Frage, zugegeben, lassen Sie mich Ihnen ein bisschen helfen … «, tönte der Doktor schließlich.
    Kluftinger stieg die Zornesröte ins Gesicht. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass er jetzt einen Vortrag bekam. Die Hand seiner Frau schnellte unter dem Tisch zu ihm herüber und blieb auf seinem Knie liegen. Er entspannte sich etwas und sagte schnell: »Nein, nein, ich passe!«.
    In Abwägung der

Weitere Kostenlose Bücher