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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Mund heraus, denn er hatte Angst, der Doktor würde hereinkommen.
    »Gut, die nächste Frage wartet nämlich schon auf Sie«, tönte es von der anderen Seite der Tür. Dann hörte Kluftinger, wie jemand die Treppe hinunterstieg.
    Als er sicher war, dass der Doktor im Wohnzimmer angekommen war, stieß er pfeifend die Luft aus und begutachtete das Malheur auf dem Bettlaken. Auf der Seite seiner Frau prangte jetzt ein kleiner dunkler Fleck.
    »Hurament, Hurament«, fluchte er. So konnte er das auf keinen Fall lassen. Aber die anderen warteten bereits auf ihn. Was also sollte er tun? Auf die Schnelle fiel ihm nur eine Lösung ein: Er tauschte die Laken aus. In einem Kraftakt, der ihn gehörig außer Atem brachte, bezog er seine Seite des Doppelbettes mit dem Leintuch seiner Frau, wiederholte das Ganze auf der anderen Seite, trocknete mit einem Taschentuch notdürftig den Fleck, der sich nun auf seiner Seite befand, verstaute den Rest des Wurstsalats wieder in seiner Tasche, zupfte sich seine Kleidung zurecht, ging noch schnell nach draußen und betätigte die Spülung des Klos. Lieber sollten die anderen glauben, er habe hier oben noch sein Geschäft verrichtet, als unangenehme Fragen zu stellen.
    Mit einem »Bin schon wieder da« betrat er das Wohnzimmer. Drei entgeisterte Gesichter blickten ihn an.
    »Ist dir nicht gut?«, fragte seine Frau und klang dabei ehrlich besorgt.
    »Wieso?«, fragte er. Er verstand nicht.
    »Setzen Sie sich doch lieber einen Augenblick«, stimmte auch der Doktor fürsorglich mit ein.
    »Was soll denn … «, wollte Kluftinger schon protestieren, da sah er sich selbst in dem Spiegel, der über dem antiken Klavier hing, das die Stirnseite von Langhammers Wohnzimmer zierte – dort, wo normale Menschen ihren Fernseher stehen hatten, den Kluftinger bisher aber noch nicht entdeckt hatte.
    Der Spiegel zeigte einen Menschen in leicht derangiertem Zustand: Sein Hemd war knittrig, eine Folge seiner Umbauaktion im Schlafzimmer, zahlreiche Fussel der Bettdecke waren daran haften geblieben. Seine Haare standen von seinem Kopf ab, ein paar klebten auf seiner verschwitzten Stirn. Das Schlimmste aber war sein Gesicht: es war knallrot, ein unangenehmer Nebeneffekt, der bei körperlichen Anstrengungen immer auftrat.
    In seinem Kopf begann es zu rattern. Blitzschnell fasste er einen Entschluss.
    »Ich weiß auch nicht, irgendwie … es waren sehr anstrengende Tage, und jetzt noch das mit dem Rohrbruch … « Dann setzte er sich ächzend auf seinen Stuhl.
    »Und wir verdonnern Sie hier zu einem Spieleabend. Wie unaufmerksam von uns«, sagte Annegret schuldbewusst.
    Auch der Doktor machte ein besorgtes Gesicht und bot Kluftinger seine professionelle Hilfe an.
    »Nein, nein, das geht schon so«, wehrte der fast etwas zu heftig ab und erklärte: »Ich brauch einfach nur ein bisschen Ruhe. Vielleicht gehe ich einfach schlafen.«
    Die anderen nickten verständnisvoll und sagten, dass das wohl sicher das Beste sei. Langhammer nahm Kluftinger noch das Versprechen ab, ihn ruhig auch nachts zu stören, wenn es schlimmer werden sollte.
    »Mach ich, mach ich«, versprach er, und fügte hinzu: »Wofür hat man schließlich einen Arzt im Haus … «
    Auf dem Weg nach oben fasste ihn seine Frau besorgt am Arm und es tat Kluftinger ein bisschen leid, dass sie sich jetzt Sorgen um ihn machte. Aber er konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen. In Gedanken schrieb er die letzte Runde sich selbst zu. Sieg durch taktisches K.o.
    Als sie beide schließlich im Bett lagen, setzte sich Erika plötzlich auf und streckte die Nase in die Höhe. »Riechst du das auch?«, fragte sie. »Irgendwie … irgendwie säuerlich.«
    Kluftinger versteifte sich. »Ach, das werden diese antiken Möbel sein«, beschwichtigte er, stand auf, öffnete das Fenster, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und zog sich mit einem zufriedenen Brummen die Bettdecke bis unter das Kinn.

Viel hunderttausend ohne Zahl,
    Ihr sinket durch der Sense Stahl,
    Weh Rosen, weh Lilien,
    Weh krause Basilien!
    Selbst euch Kaiserkronen
    Wird er nicht verschonen;
    Ihr müßt zum Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!

Am nächsten Morgen stand Kluftinger früh auf und machte sich nach der Morgentoilette schnell und unbemerkt von seinen Gastgebern wie von seiner Frau auf den Weg ins Büro. Auf eine Schüssel Vogelfutter zum Frühstück wollte er heute lieber verzichten. Nach einem Halt beim Krugzeller Dorfladen, wo er sich zwei Salamisemmeln und einen halben

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