Erntedank
nicht gerade leicht, denn er redete von sich aus so gut wie nichts. Er gab auf alle Fragen Antwort, war immer freundlich, aber selbst beim langweiligsten Vortrag oder der niederbayerischsten Belehrung von Kriminalrat Lodenbacher hatte sich noch nie ein subversives Gespräch mit Hefele ergeben. Ihre Kommunikation begrenzte sich auf dienstliche Themen. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass sich die beiden so ähnlich waren.
Der Kommissar lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorn, stützte die Ellenbogen auf und blies die Luft laut hörbar aus. Er hätte schwören können, dass sie sich nun mindestens fünf Minuten angeschwiegen hatten, wahrscheinlich waren es aber nur zwanzig Sekunden gewesen.
»Und, was machen wir zwei beiden jetzat?«, durchbrach der Kommissar die peinliche Stille, ärgerte sich aber im gleichen Moment über seinen stümperhaften Konversationsversuch. Fehlt nur noch ein »wir zwei Hübschen« und der Langhammer ist perfekt, grämte er sich über seine mangelnde Begabung zum Smalltalk und nahm sich vor, Hefele nun wirklich endlich besser kennen zu lernen.
»Du, sag mal, wie war es denn gestern bei der Autopsie?«, fragte der.
Kluftingers Freude erstarb schlagartig. Wollte er ihn jetzt schwach anreden und die zarten Bande, die Kluftinger bereits gedanklich geknüpft hatte, gleich wieder kappen?
»Ich meine, habt ihr etwas rausgefunden?«
Kluftinger entspannte sich wieder. Vielleicht interessierte sich Hefele wirklich nur für den Fall. »Sutter wurde geradezu hingerichtet, du hast ja die Wunde gesehen. Der Täter muss ein kaltblütiger Hund sein«, antwortete er. »Allein schon wegen des Blutes. Das muss ein riesiges, scharfes Messer gewesen sein. In der Wunde haben wir einen Papierfetzen … «
Kluftinger hielt plötzlich inne.
»Ja klar, den wollten die noch analysieren!«, rief er, griff zum Telefonhörer und murmelte in Hefeles Richtung: »Da konnte man nichts Genaues erkennen, der war ganz blutverschmiert.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, spürte er, wie es in seinem Magen wieder rumorte und sich seine Kehle zuschnürte. Er ließ sich mit Dr. Böhm verbinden.
»Servus, du, habt ihr den Fetzen schon gereinigt? … Habt ihr schon … Und, was rausgefunden? … Nichts, hm? … Könntest du uns den bitte faxen? … Schicken?«
Kluftinger stutze. Böhm wollte ihm den Papierschnipsel per E-Mail schicken.
»Du kannst doch einen Zettel nicht per E-Mail schicken. Also ganz blöd bin ich auch wieder nicht!«, bellte Kluftinger verärgert in den Telefonhörer. Er hatte Böhm seine gestrige Aktion noch nicht verziehen und vermutete nun einen neuen Angriff auf seine Autorität.
Der erwiderte nur lachend, dass er ihm lediglich die eingescannten Bilder und nicht das Original schicken wolle.
»Ach … «, Kluftinger machte eine kurze Pause und dachte angestrengt nach. Dann fuhr er fort: »Weißt du was? Du hast doch gesagt, dass du jetzt eh gleich nach Kempten musst. Bring mir die Bilder doch dann einfach vorbei, wir haben … wir haben den Computer grad nicht an.«
Der Pathologe versicherte aber, dass Kluftinger die Datei in zwei Minuten auf seinem PC habe, er habe leider keine Zeit, dafür eigens in Kluftingers Büro zu kommen.
Priml, dachte Kluftinger, der sich selbst seine Schwächen bei der elektronischen Datenverarbeitung ohne weiteres eingestand. Er musste ja schließlich nicht alles können. Er musste allerdings auch nicht alle Kollegen wissen lassen, dass er nicht alles konnte. Weder Böhm noch Hefele.
Er bedankte sich also artig für die zu erwartende Mail und legte auf. Misstrauisch beäugte er seinen Kollegen. Er war jünger als der Kommissar, wenn auch nur ein paar Jahre. Aber die reichten allemal aus, anzunehmen, dass der sich am Computer besser auskannte als er.
»Du, mach doch gleich mal den PC auf, der Böhm schickt uns eine Mail, die kannst du dann gleich ausdrucken. Wir brauchen die Bilder nachher, ich muss nur schnell aufs Klo, danke dir«, sagte er, ohne Luft zu holen und ohne seinem Kollegen Zeit für eine Antwort zu geben, dann verließ er mit Genugtuung über seine Vermeidungsstrategie das Büro.
Als er aber von der Toilette zurückkam, verschwand das Lächeln um seine Mundwinkel sofort wieder: Der Bildschirm war immer noch schwarz. Hefele las interessiert den Speiseplan der Kantine, der an Kluftingers Pinnwand hing, und plauderte über die Zusammenstellung der Menüs: »Sag mal, haben die einen Zwetschgenlaster entführt und verkochen jetzt die
Weitere Kostenlose Bücher