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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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protestierte er.
    »Dann nimm halt einen Stock oder so was«, sagte Renn mit einem Seufzen.
    Wie einen Lehrbub wollte sich Kluftinger aber doch nicht behandeln lassen. Deswegen antwortete er: »Ich soll sie dir ja nur holen, weil du mit deinen Einsfuffzig gar nicht hin kommst.« Dann nahm er einen Ast vom Boden, gabelte die Tasche auf und ließ sie in die Tüte gleiten.
    »Muss ich ja auch gar nicht, wenn man seine Hiwis hat«, grinste Renn, als er das Plastik verschloss.
    Kluftinger wollte es nicht auf ein weiteres Wortgefecht ankommen lassen, deswegen wechselte er das Thema: »Kann ich mal reinschauen?«
    Renn blickte ihn über den Rand seiner Brille hinweg skeptisch an.
    »Ungern.«
    »Nur kurz. Wegen dem Hinweis.«
    Renn legte die Stirn in Falten. »Also gut. Aber nix ohne Handschuhe anfassen.«
    Kluftinger überhörte den Tonfall des Erkennungsdienstlers und nickte.
    Als Renn die Tasche öffnete, wobei er sie in der Plastiktüte beließ, senkten sie beide den Kopf darüber. Sie erblickten allerlei handtaschentypische Dinge wie Taschentücher, Lippenstift, Schlüssel, einen Geldbeutel … Der Geldbeutel! Gleichzeitig blickten sich die beiden Polizeibeamten an. Renn nickte noch einmal, griff mit seinem behandschuhten Arm in die Tasche und öffnete das Portemonnaie. In einem durchsichtigen Fach steckte eine Visitenkarte. Kluftinger las laut vor: »Michaela Heiligenfeld. Autorin, Frauenheilkunde.«
    Der Kommissar hielt kurz inne. Der Name kam ihm bekannt vor, aber im Moment konnte er ihn nicht einordnen. Auch Willi Renn schien zu überlegen, doch auch er kam zu keinem Ergebnis.
    »Heiligenfeld, Michaela«, schrie Kluftinger über seine Schulter.
    »Habt ihr das?«
    »Haben wir, haben wir«, antwortete Maier dienstbeflissen in seinem Rücken. Dann hörte Kluftinger, wie er den Namen nach einem metallischen Knacken noch einmal leise wiederholte. Ein kurzes Grinsen huschte über Kluftinger Gesicht: Maier konnte sich einfach keine Namen merken, er sprach sie immer auf Band.
    »Bitte, ich möchte so schnell wie möglich wissen, was sonst noch in der Tasche ist«, wandte sich der Kommissar noch einmal an Renn.
    »Kein Problem, die knöpf ich mir morgen gleich als Erstes vor.«
    »Nix da, morgen. Heute. Jetzt gleich, wenn wir zurückkommen.«
    »Auch gut, dann eben gleich. Soll mir recht sein.«
    »Ruf mich doch bitte an, wenn’s so weit ist, ich wär gern dabei.«
    »Auch das, Kollege.«
    Mit einem Kopfnicken in Willi Renns Richtung drehte er sich um und ging.
    »Abmarsch, Männer«, rief er Strobl und Maier hinter sich zu, ohne sich umzudrehen.
    Das Erklimmen des kleinen Anstiegs kostete Kluftinger zwar Kraft, aber die vermehrte Sauerstoffzufuhr löste auch etwas den Schleier, der sein Gehirn einzunebeln schien. Es ging ihm jetzt etwas besser. Dennoch erschrak er fürchterlich, als er beim Aufstieg mit seiner Hand in etwas Kühles, Glitschiges fasste. Als hätte ein Hund nach ihr geschnappt, zog er sie blitzartig zurück und hätte dabei fast wieder das Gleichgewicht verloren, hätte ein Baum in seinem Rücken nicht einen nochmaligen Sturz verhindert. Als er sich mit angewidert verzogenem Gesicht und auf alles gefasst die Stelle betrachtete, an der sich eben noch seine Hand befunden hatte, seufzte er erleichtert auf. Er hatte einen Steinpilz zerdrückt. Der Pilzsucher hatte Recht gehabt, hier konnte man tatsächlich noch fündig werden. Er selbst hatte fürs Pilzesuchen nie viel übrig gehabt, was vor allem daran lag, dass er nie welche fand. Er hatte sich eine Zeit lang an erfahrene Pilzsucher gehängt, aber selbst wenn er unmittelbar neben ihnen herlief, erspähten die immer zuerst etwas und sein Korb blieb meist leer. Diese Stelle entpuppte sich aber selbst für ihn als ein sicherer Tipp und er nahm sich vor, hier wieder einmal herzukommen – allerdings frühestens in einem Jahr, wenn auch die letzten Spuren der Leiche von der Natur beseitigt sein würden.
    Als er schließlich am Rand des Abhangs angekommen war und nach unten blickte, tat es ihm um den schönen Pilz fast ein bisschen leid. Und er stellte mit Schrecken fest, dass der eben gefundene tote Menschenkörper keine derartigen Gefühle in ihm auslöste. Er beruhigte sich damit, dass er sich sagte, sein Mitgefühl sei in diesem Fall nur vom Grauen und der Übelkeit verschüttet worden.
    Beim Einsteigen ins Auto bekam er noch mit, wie der Pilzsucher sich offenbar weigerte, den Tatort zu verlassen, und darauf beharrte, nach dem Abzug der Polizisten weiter

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