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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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deshalb.
    »Gar nicht gut«, antwortete Kluftinger.
    ***
    Etwa eine Stunde später winkte Renn in seinem weißen Ganzkörperanzug mit Kapuze Kluftinger zu, dass er nun herunterkommen könne. Kluftinger hatte die ganze Zeit am oberen Ende des Abhangs gestanden und ihm und seinen Männern zugesehen. Hatte fasziniert beobachtet, wie sie wie Astronauten durch den Wald stapften, den Kreis um die Leiche immer enger zogen, wie sie alles, was ihnen irgendwie auffiel, feinsäuberlich in Tüten verpackten und beschrifteten. Er war hellhörig geworden, als Renn einmal ausrief »Ich hab was!« und hatte dann atemlos verfolgt, wie sie mit einem kleinen Mehlsieb vorsichtig eine staubige Substanz in einen Fußabdruck füllten, ihn mit Wasser begossen und schließlich ein Modell einer Sohle verpackten. »Alles, von dem wir nicht ausschließen können, dass es eine Spur ist, ist eine Spur«, sagte Renn immer, und Kluftinger war beruhigt, dass er heute hier war. Er wusste: Wenn es etwas zu finden gab, Willi würde es finden.
    »Klufti, du kannst jetzt kommen«, schallte es plötzlich durch das Wäldchen. Georg Böhm, der inzwischen auch aus Memmingen eingetroffen war, gab das Startzeichen für den Kommissar, sich den Tatort genauer anzusehen.
    »Auf geht’s«, hörte er nun auch Strobl hinter sich sagen. Zusammen mit Maier machte er sich bereits auf den Weg nach unten. Sie hangelten sich von Baum zu Baum, denn der Boden war durch die Feuchtigkeit und das Laub, das überall herumlag, glitschig und der Abhang war steil. Kluftingers Technik in solchen Fällen war, sich praktisch mit einem Fuß auf einen Stamm fallen zu lasen, um dann den nächstgelegenen Baum weiter unten auszumachen, der ihn wieder ein paar Schritte weiter bringen würde. Strobl und Maier waren bereits unten angekommen, als Kluftingers Technik versagte: Er verpasste seinen anvisierten Baum, geriet ins Straucheln und legte die letzten vier Meter auf dem Hosenboden zurück.
    »Kreuzkruzifix«, fluchte er in die Stille und alle Köpfe ruckten herum. Er bekam einen roten Kopf, weil er mit seinem Fluchen genau das erreicht hatte, was er eigentlich vermeiden wollte: dass jeder sah, wie blöd er sich angestellt hatte. Dennoch lachte keiner. Maiers ausgestreckte Hand schlug der Kommissar mit einem ärgerlichen »Geht schon« aus, wobei sich sein Ärger hauptsächlich gegen sich selbst richtete.
    »Na, mit der Pause warten wir lieber noch ein bisschen, oder?«, sagte Willi Renn und blinzelte den Kommissar kampfeslustig an. Er sah aus wie eine Zeichentrickfigur, die Kluftinger kannte, mit seinem Astronautenanzug und der dicken Brille.
    Kluftinger ging gar nicht auf die kleine Stichelei ein. Er trat zu der Gruppe Weißkittel und sagte, weil ihm nichts Besseres einfiel: »Wie schaut’s aus?«
    »Schlecht. Wir haben wohl einen Serientäter.«
    Jetzt fiel es dem Kommissar ein: Renn sah aus wie die Stubenfliege Puck aus »Biene Maja«.
    »Ja, das hab ich ja schon am Telefon gehört. Aber wie kommt ihr darauf?«
    Böhm ging einen Schritt zur Seite. Jetzt hatte Kluftinger einen guten Blick auf die Leiche. Er schluckte. Sie lag bereits ohne Kleidung da, eine Tatsache, an die sich der Kommissar nie gewöhnen würde. Um vor Ort wichtige Spuren zu sichern, wurden Leichen immer gleich am Tatort untersucht und dabei auch ausgezogen. Es schüttelte den Kommissar. Der Zustand der Toten ließ – gelinde gesagt – darauf schließen, dass sie nicht erst seit gestern hier lag. Sie wies neben deutlichen Verfallserscheinungen auch Fressspuren auf. Kluftinger schwankte leicht, fing sich aber wieder und spürte kalten Schweiß seinen Nacken hinunterlaufen.
    »Warte, bis du das siehst«, sagte Böhm und drehte ihren Kopf um. In ihrer Stirn klafften zwei große Wunden. Weil er den Kopf halb weggedreht hatte und sie nur aus dem Augenwinkel ansah, brauchte Kluftinger ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass es keine normalen Wunden waren. Auf ihrer Stirn war die Zahl 11 eingeritzt.
    »Übrigens die gleiche Schnittwunde am Hals.«
    Der schreckliche Anblick ließ Kluftinger nun doch einen nie gekannten Brechreiz verspüren. Er hatte versucht, nicht so genau hinzusehen, aber jetzt, als Böhm den Kopf schon längst wieder umgedreht hatte und er gar nicht mehr hinschaute, war es, als habe sich der Anblick wie ein Foto vor seine Augen geschoben. Er wurde ihn nicht mehr los: Das Gesicht der Frau war kalkweiß, die Lippen blau. Strähnige Haare klebten an ihrem Kopf, der seltsam aufgedunsen war. Der

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