Erntedank
Kollision mit einem Bauwagen endete, ohne Polizei regeln.
Kurz nachdem Markus allerdings sein Abitur gemacht hatte, überwog beim Vater der Stolz auf seinen Sprössling, auch wenn dieser sich in der Zeit vor dem Abitur die Haare schulterlang hatte wachsen lassen und sich nach der Schule statt für die Bundeswehr für den Zivildienst entschieden hatte. Nicht, dass Kluftinger dies grundsätzlich verurteilt hätte, er hatte eben insgeheim gehofft, sie würden ihm dort eine zivilisiertere Frisur verpassen und das späte Aufstehen austreiben.
Die Sache mit dem Aufstehen hatte sich trotzdem geregelt, da Markus bei den Maltesern als Fahrer eingeteilt worden war, wo er darüber hinaus anderthalb Jahre weiter blieb, um die Wartesemester bis zu seinem Psychologiestudium zu überbrücken. In dieser Zeit beobachtete der Kommissar zwar mit Respekt, wie Markus mit Behinderten umzugehen lernte und dass er fähig war, einer geregelten Arbeit, ja überhaupt einer Arbeit nachzugehen. Es wäre Kluftinger senior aber weitaus lieber gewesen, hätte sein Sohn bis zum Studium eine Lehre gemacht: bei einer Bank, einer Versicherung, bei der Post oder notfalls auch als Schreiner. Markus hatte es jedoch vorgezogen, für wenig Geld sozial tätig zu sein und für viel Geld, das ihm auch seine Mutter immer wieder mal hinter dem Rücken ihres Mannes zusteckte, das Kemptener Nachtleben in vollen Zügen zu genießen. Er hatte zusätzlich einen Chi-Gong-Kurs – Kluftinger wusste bis heute noch nicht genau, wofür das eigentlich gut gewesen sein sollte – und einen Spanischkurs gemacht sowie Reiten und Saxophonspielen zu lernen begonnen. Der Grund für solche Interessen war, wie sich herausstellte, immer der gleiche: das weibliche Geschlecht. Deswegen wechselten mit den Frauen schnell auch die Interessen des Sohnes. Mehr als einmal hatte der Vater seine Frau seufzend vor dem Einschlafen gefragt, wann der Bub denn endlich einmal etwas mit der gleichen Begeisterung zu Ende bringen würde, wie er es angefangen hatte.
Markus’ Frauengeschichten brachten Kluftinger oft genug dumme Sprüche von Bekannten ein: Er könne doch unmöglich der Vater dieses hübschen und bei Frauen derart beliebten Jungen sein. Aber auch er war einmal dunkel gewesen, bevor sein Resthaar ins Grau-Melierte gegangen war. Und so sprunghaft war man früher eben nicht gewesen, die wenigsten seiner Bekannten hatten mehrere Freundinnen vor ihrer Hochzeit gehabt.
Die Frauen, da war sich Kluftinger immerhin sicher, hatten schließlich auch dafür gesorgt, Markus wieder auf die »richtige Bahn« zu lenken. Denn als sein Psychologiestudium begonnen hatte, hatten mit Sylvia, einer Medizinstudentin, auch für Markus die Zeiten der langen Haare und der alternativen Lebensweise ein Ende: Er zog sich auf einmal wieder chic an, ließ sich einen Kurzhaarschnitt verpassen, ging morgens zum Joggen und interessierte sich für Literatur, Kunst und klassische Musik.
Leider war mit Sylvia schon lange Schluss – die in den Augen Kluftingers sehr positiven Veränderungen aber hatten Bestand. Sie sorgten allerdings auch dafür, dass eine gewisse Bodenständigkeit bei Markus mehr und mehr einer Intellektualität gewichen war, die dem Vater nicht allzu sympathisch war.
Keine Frage: Trotz seiner nicht wirklich berauschenden Abiturnote von Zwei Komma neun war Markus ein intelligentes Kerlchen. Aber in letzter Zeit warf er für Kluftingers Geschmack etwas zu oft mit Fremdwörtern um sich, von denen der Vater die wenigsten verstand. Erika dagegen war voll der Bewunderung ob des anstrengenden Studiums, das sie für eines der kompliziertesten und schwersten überhaupt hielt.
Weniger Be- als Verwunderung entlockte Kluftinger ein weiterer Wesenszug seines einzigen Kindes: Er war für seinen Geschmack etwas zu wenig heimatverbunden. Das zeigte sich nicht nur in einer für ihn nicht nachvollziehbaren Vorliebe für exotisches Essen – einmal hatte Markus sie unbedingt überreden wollen, nach Lindau in ein Sushi-Restaurant zu gehen, was Kluftinger aber verhindern konnte. Abgesehen von der schaurigen Vorstellung, rohen Fisch zu essen, konnte man seiner Meinung nach mit Sicherheit davon ausgehen, dass man davon tödliche Krankheiten bekam, für die man noch nicht einmal Namen hatte.
Auch die unbändige Reiselust seines mittlerweile fünfundzwanzigjährigen Filius’ ließ nicht auf eine verwandtschaftliche Beziehung zu ihm schließen. Ziele wie Bali, Bangkok, Mexiko und sogar Peru hatte er schon
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