Erntedank
bereist und für die nächsten Semesterferien war ein Flug nach Hongkong geplant.
Als Kluftinger am Bahnhof parkte und den Passat zuschloss, freute er sich trotz dieser unterschiedlichen Lebensauffassungen dennoch so sehr, dass er vor sich hinpfiff. Seit Markus in Erlangen so eifrig studierte und seitdem er sein Vordiplom mit Bravour abgelegt hatte, seitdem er in einer Wohngemeinschaft mit Waschmaschine und Wäschetrockner wohnte, aber auch seitdem er wieder eine neue Freundin hatte, wurden Markus’ Besuche in Altusried immer seltener.
Kluftinger erkannte auf dem Ankunftsplan, dass er bereits gut zwanzig Minuten zu spät war. Er machte sich eilig auf den Weg zu Gleis 3, stieg so hastig die Treppen hinauf, dass ihm ganz schwindlig wurde, und erblickte schließlich oben seinen Sohn im Gespräch mit einem attraktiven blonden Mädchen.
Als Markus seinen Vater sah, verabschiedete er sich von der Blonden mit zwei Küssen auf die Wangen. Der Kommissar blieb vorsichtshalber in einem gewissen Sicherheitsabstand stehen. Dann kam Kluftinger junior auf ihn zu und die beiden brachten die Begrüßung etwas unbeholfen mit einem kameradschaftlichen Klopfen auf die Schulter hinter sich. Körperliche Nähe war einfach nicht ihr Ding.
»Griaß di, Vatter«, tönte Markus dabei vergnügt und der »Vatter« nahm zufrieden zur Kenntnis, dass Markus zumindest noch immer die klassische dialektale Begrüßung wählte.
»Griaß di, Markus, du entschuldige, dass ich ein bissle später dran bin.«
»War gar nicht schlimm«, grinste Markus und warf dem Mädchen dabei einen letzten augenzwinkernden Blick über die Schulter zu.
»Sollen wir deine Freundin nicht mitnehmen?«
»Welche Freundin?«
»Das Mädchen auf der Bank halt. Ist das nicht deine Freundin?«
»So schnell geht’s auch wieder nicht. Die hab ich im Zug kennen gelernt. Nett, oder?«
Ein klein bisschen stolz schüttelte der Vater den Kopf »Du und deine Weibergeschichten! Komm, ich trag deine Tasche.« Er bereute sein Angebot in dem Moment, da Markus sie ihm reichte:
Sie wog so viel, als hätte er darin noch ein Mädchen versteckt.
»Was hast denn du alles dabei?«
»Nur das Nötigste: Ein bisschen G’wand und ein paar Bücher.«
»Soso, fleißig, fleißig. Und, wie geht’s an der Universität?«, fragte Kluftinger schnaufend, während sie die Bahnhofshalle verließen und auf das Auto zugingen. Das Gespräch zwischen den beiden Männern kam ohne Erika nur schleppend in Gang. Markus kam allerdings nicht mehr zum Antworten, stattdessen zuckte er, nachdem sein Vater den Wagen aufgeschlossen hatte, beim Einsteigen kurz zurück, schnupperte dann demonstrativ in den Innenraum und seufzte schließlich: »Ah! Jetzt riecht’s auch wieder wie daheim.«
Kluftinger entschuldigte sich für das Missgeschick mit der Sahne und wollte erklären, was er schon alles gegen den Geruch unternommen hatte, doch sein Sohn klopfte ihm nur auf die Schulter und sagte: »Passt scho. Und, bei euch?«
»Du, die Mutter wird dir ja das meiste erzählt haben. Das mit dem Rohrbruch war eine ziemlich böse Überraschung. Vor allem, weil wir dann auch noch bei Doktors einquartiert waren.«
»Warum nicht bei Oma und Opa?«
»Du kennst deine Mutter ja.«
Markus nickte verständnisvoll.
»Und was gibt’s Neues im Job? Mama hat gesagt, ihr hättet es mit einem Serienkiller zu tun.«
Kluftinger überraschte die Frage: Bisher hatte sich Markus so gut wie nie nach Kluftingers Arbeit erkundigt.
»Na ja, Serienkiller hört sich eher nach einer schlechten Fernsehserie an. Aber es stimmt schon, wir haben ganz schön zu knabbern: Zwei Leichen, die beide auf die gleiche Weise ermordet worden sind. Und das nicht auf die feine englische Art. Ihnen wurde mit einer Sense der Hals aufgeschlitzt. Und übel zugerichtet waren sie beide.«
»Inwiefern?«
»Na ja, der eine hatte eine Krähe auf der Brust liegen, mit der man ihm auch noch das Auge ausgehackt hatte. Der anderen, einer Frau, hat man die Zahl elf auf die Stirn geritzt. Zudem hat man uns komische Hinweise hinterlassen, mit denen wir bis jetzt nicht recht was anfangen können. Alles in allem der übelste Fall, den wir bisher hatten.«
»Hm, ziemlich kryptisch, das Ganze«, sagte Markus mehr zu sich selbst als zu seinem Vater. Sie hatten bereits das Krugzeller Milchwerk passiert und bogen nach Altusried ab. »Das hört sich nach Ritualmorden an. Möglich, dass der Täter auf etwas hinweisen möchte, was ihn emotional und mental so blockiert, dass er
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