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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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kein anderes Ventil findet. Die Hermetik der Hinweise, die er gibt, deutet aber auf einen starken Protektionszwang.«
    »Wie meinst du jetzt … Ja Kreuzkruzifix, kann der mit seinem B’schüttfass nicht blinken, oder was? Fahr zu!«
    Kluftinger hatte sich erst beruhigt, als er in die heimische Garageneinfahrt bog. Erika stand bereits erwartungsfroh am Badfenster. Als sie »ihre beiden Männer«, wie sie immer sagte, kommen sah, lief sie schnell nach draußen. Kluftinger hätte eigentlich gern noch weiter unter vier Augen mit seinem Sohn geredet, wusste aber, dass es dafür zu spät war. Nun schlug die Stunde der liebenden Mutter.
    »Mei, Markus, endlich seid ihr da!«, rief sie, kaum, dass sie aus der Haustür gelaufen war. Ihren Mann bedachte sie mit einem kurzen »Griaß di«, den Sohn mit einer innigen Umarmung.
    »Komm gleich ins Haus, ich hab extra Saltimbocca und Steinpilzrisotto für dich gemacht, das magst du doch so gern. Und als Nachtisch gibt’s Zwetschgendatschi aus Mürbteig mit Streuseln. Bringst du die Sachen vom Markus rein?«
    Der letzte Satz galt ihrem Mann, der sich inzwischen reichlich abgemeldet fühlte. Zudem war er vom heutigen Speiseplan nicht sonderlich begeistert. Zwar konnte er sich für die Grundzutaten durchaus begeistern: Kalbsschnitzel, Schinken und Steinpilze liebte er – letztere jedenfalls, wenn es Semmelknödel dazu gab. Reis war für ihn allenfalls eine Beilage, als Abwechslung zu Spätzle oder Kartoffelknödel. Den Salbei, der unter dem Schinken klemmte, schätzte er in Form von Tee als bewährtes Hausmittel gegen Schluckbeschwerden. Für Fleisch, das nach Halswehtee schmeckte, hatte er nicht viel übrig. Aber immerhin gab es ja noch Zwetschgendatschi, wobei der Kommissar auch hier etwas auszusetzen hatte: Er liebte die klassische Variante mit Hefeteig, der Mürbteig war ihm zu süß und zu feucht. Sei’s drum, dachte er sich, Hauptsache, dem Buben schmeckt’s und er ist mal wieder daheim.
    Das Essen schmeckte Kluftinger, der seit dem Besuch in Buxheim, wo er die kalten Kässpatzen hatte hinunterwürgen müssen, nichts mehr in seinen Bauch bekommen hatte, dann aber doch recht gut. Alle drei plauderten entspannt, wobei Kluftingers Redeanteil gegenüber dem der beiden anderen Familienmitglieder deutlich geringer war. Er zog sich – wie immer gleich nach dem Essen – auf die Toilette zurück, wobei ihm noch einmal in den Sinn kam, was Markus vorhin im Auto zu ihm gesagt hatte: Der Täter wollte irgendetwas mitteilen. Er nahm sich vor, gleich noch mit Markus darüber zu reden.
    Er sollte aber diesen Abend keine Gelegenheit mehr dazu bekommen: Zuerst hatte Erika Markus in Beschlag und gegen zehn verschwand der noch in Richtung Kempten, um sich mit ein paar Freunden zu treffen.
    Als Kluftinger ins Schlafzimmer ging, nahm er mit Verwunderung zur Kenntnis, wie Erika nicht nur das Bett ihres Sohnes frisch bezog, sondern ihm sogar noch einen Pyjama herauslegte.

Des Maies Brautschmuck auf der Au,
    Ihr Kränzlein reich von Perlentau,
    Ihr Herzen umschlungen,
    Ihr Flammen und Zungen,
    Ihr Händlein in Schlingen
    Von schimmernden Ringen,
    Müßt in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!

»Sei aber leise, nicht dass der Markus aufwacht!«
    Natürlich: der Markus. Wenn ihr Sohn da war, dann gab es für Erika Kluftinger nur eine Sorge. Auch heute Morgen um
    6.30 Uhr. Sie war wach geworden, als Kluftinger sich wie immer zwar leise, allerdings etwas weniger rücksichtsvoll als zu Beginn ihrer Ehe aus dem Bett geschlichen hatte, um sich für die Arbeit fertig zu machen. Und ihr erster Gedanke galt, sozusagen Millisekunden nach dem Verlassen der Tiefschlafphase, wie ihr Mann mit einer Mischung aus Amüsement und Bitterkeit feststellte, ihrem Sohn. Er konnte sich über die Fürsorge seiner Frau eigentlich nicht beklagen, aber ihr Sohn war, was das betraf, konkurrenzlos. Wenn er ehrlich war, musste auch er nicht weit fahren, um selbst Objekt einer solch umfassenden Betreuung zu werden, denn seine Mutter wohnte im gleichen Ort. Trotzdem war er diesbezüglich manchmal ein bisschen eifersüchtig auf seinen Sprössling, der ihm selbst ja durchaus auch am Herzen lag, auch wenn seine Frau das manchmal zu bezweifeln schien.
    Nicht nur deswegen freute er sich geradezu darauf, nun exakt das Gegenteil dessen zu tun, wozu ihn seine Frau gerade aufgefordert hatte. Er tapste mit dem festen Vorsatz auf Zehenspitzen in den Hausgang, seinen Sohn trotz der frühen Stunde aufzuwecken.

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