Erntemord
„Bist du in Ordnung?“, fragte er. Er errötete leicht, als sie ihn mit einer stummen Frage in den Augen anschaute. Konnte irgendjemand von ihnen in Ordnung sein nach dem, was sie gerade gesehen hatten?
Sie nickte mechanisch und sah zu Brad. „Jedenfalls geht es mir besser als ihm.“
Jeremy nickte. Er spielte kurz mit dem Gedanken, hierzubleiben und zu helfen, während sie seinen Wagen zurück in die Stadt fuhr. Aber er hatte die Leiche gesehen und das Feld, also würde seine Aussage in jedem Fall benötigt werden. Außerdem war Joe offensichtlich gut in seinem Job. Wenn es in dem Feld irgendetwas zu finden gab, würde Joe dafür sorgen, dass man es fand. Und es würde ihm zweifellos nicht passen, wenn Jeremy hier noch länger herumhing. Jeremys Chancen, an wichtige Informationen zu kommen, wären sicher besser, wenn er es vorsichtig anging und sich nicht dort aufdrängte, wo man ihn weder brauchte noch wollte. Außerdem hoffte er, bei der Autopsie dabei sein zu können, was bedeutete, dass er Joes Sympathien brauchte.
„Verschwindet hier“, sagte Joe. Obwohl er in einem ganz normalen, ruhigen Ton gesprochen hatte, war die Bedeutung seiner Worte unmissverständlich. Sie sollten sich selbst den Gefallen tun, woanders hinzugehen.
Gemeinsam kehrten sie über die niedergetrampeltenHalme, über die so viele Menschen gelaufen waren, zur Straße zurück. Das ganze Areal um den Fundort der Leiche war schon großräumig abgesperrt worden, sodass sie sich unter dem Band durchducken mussten, als sie den Seitenstreifen erreichten.
Als sie den ersten Fuß auf den Asphalt setzte, lachte Rowenna plötzlich trocken auf.
Jeremy blickte sie fragend an. War sie nun noch durchgedreht? Nach allem, was sie durchgemacht hatte, wäre es nur zu verständlich.
„Was?“, fragte er.
„Ich habe kein Benzin“, sagte sie noch immer lachend und offenbar am Rande der Hysterie.
Auch er hatte dieses kleine Detail vergessen. „Gib mir deinen Autoschlüssel“, sagte er. „Ich werde Joe bitten, dass einer seiner Männer den Wagen bei dir vorbeifährt, wenn er aufgetankt ist.“
Sie nickte. Brad war noch immer blass und wirkte, als ob er gar nicht da sei. Er setzte sich wortlos hinten in Jeremys Mietwagen. Rowenna nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Jeremy war zwei Minuten später zurück und versicherte sich, dass Rowenna angeschnallt war, bevor er den Motor startete und das Auto wendete, um zurück in die Stadt zu fahren.
„Sieh nur“, sagte er und deutete die Straße hinunter.
Der Pick-up vom Automobilclub war endlich da, um ihr zu helfen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin sicher, Joe oder einer der Cops wird die Sache erklären“, sagte sie.
Jeremy nickte nur und fuhr weiter.
Er konnte den ganzen Tag und die ganze Nacht fahren, es wäre egal. Vor dem, was sie gerade gesehen hatten, gab es kein Entkommen.
Die Nachricht von der scheußlichen Entdeckung schien sich schneller zu verbreiten als Herbstlaub. Am Abend wurde inder Gegend über nichts anderes gesprochen, und sogar die überregionalen Nachrichten berichteten darüber.
Ihre Aussagen auf dem Polizeirevier hätten eine einfache Sache sein sollen, da Rowenna buchstäblich über den Leichnam gestolpert war und die anderen ihn nur auf der Suche nach ihr gefunden hatten. Dennoch nahmen sie den größten Teil des Nachmittags in Anspruch. Noch während er auf dem Revier war, wurde Jeremy von seinen beiden Brüdern angerufen, die ihm Rat und Unterstützung anboten. Beide erkundigten sich besorgt, ob er sicher sei, dass es sich bei der Leiche nicht um Mary Johnstone handele.
Er war überzeugt, dass die tote Frau nicht Mary war, doch im Moment hatte die Polizei noch keine Spur bezüglich ihrer Identität. Jeremy hoffte, dass die Suche in der nationalen Datenbank für Vermisste bald einen Treffer ergeben würde und sie keine Unbekannte blieb. Wer auch immer sie gewesen war, jemand musste sie geliebt haben, und jemand musste sie vermissen. Und diese Person verdiente es zu wissen, was mit ihr geschehen war, so schrecklich es auch sein mochte.
Um fünf Uhr verließen sie das Revier. Sie hatten nicht zu Mittag gegessen. Keiner von ihnen war hungrig gewesen.
Es war Brad, der sagte, dass sein Magen knurrte. Doch trotz seines Hungers wollte er zuerst einen Drink.
Jeremy hatte Verständnis dafür. Rowenna sagte gar nichts – sie war den ganzen Nachmittag ruhig und gedankenverloren gewesen –, doch sie schien einverstanden, sie einfach zu begleiten.
Sie gingen in ein
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