Ernten und Sterben (German Edition)
doch unseren Gast nicht mit diesem Wein-Kauderwelsch.«
»Lassen Sie Ihren Freund sich nur frei entfalten«, sagte Müller Eins und stocherte dabei im verlorenen Ei in der Kräutersuppe. »Vielleicht erfahre ich ja auf diesem Weg mehr über unseren Fall.«
Da kannst du aber lange warten, dachte Albertine. Laut sagte sie: »Ich habe es eben ja schon einmal betont: Herr Müller ist nicht mein Liebhaber. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich das merken könnten. Ist Ihnen aufgefallen, wie wunderbar das pochierte Ei mit dem Bärlauch korrespondiert?«
»Als Hauptspeise serviere ich Schweinefilet in Gurken-Senf-Soße«, sagte Clementine. »Und einen Spinatsalat mit Radieschen, die übrigens vor dem Mord an dieser bedauernswerten Person geerntet wurden.«
»Brauchen wir neue Gläser?« Albertine drehte sich zu Hubertus um.
»Ich streike«, sagte Hubertus. »Und du trinkst ja eh wieder Bier, du Banausin!«
»So ein naturtrübes Getränk löscht jeden Durst, aber du weigerst dich ja, es zu probieren. Ich lasse mir im ›Bärenkrug‹ regelmäßig einige Kisten aus der Hausbrauerei abfüllen. Die Mönche im 16. Jahrhundert wussten eben, was Leib und Seele zusammenhält.«
»Das Schweinefilet schmeckt himmlisch, Clementine. Aber Sie werden uns sicherlich nicht verraten, woher Sie es beziehen«, sagte Müller Eins mit ehrlicher Bewunderung in der Stimme.
Clementines Kopfbewegung deutete vage nach draußen. Mit einer Aura des Geheimnisvollen zog sie sich in die Küche zurück.
Das Gespräch geriet ins Stocken, auch weil Müller Eins offenbar das Interesse an einem informellen Verhör verloren hatte. Die Kommissarin wusste, dass sie eigentlich jeden an dem Fall Beteiligten einzeln befragten sollte und dringend den Aufenthaltsort dieses Hufschmieds Gunnar ausfindig machen musste. Dabei wurde sie die Ahnung nicht los, dass er irgendwo nicht weit entfernt versteckt wurde. Außerdem schmeckte ihr der Wein, und den Nachtisch wollte sie sich nicht entgehen lassen. Sie leerte das Glas, als Clementine das Geschirr abräumte.
»Zum Dessert gibt es einen Klassiker: Rhabarber-Kompott mit Griesflammeri«, sagte Clementine.
Beim köstlichen Geruch der Süßspeise schnalzte Müller Eins mit der Zunge. »Kann ich mir Ihre Perle einmal ausleihen, wenn wir ein Dinner ausrichten?«, fragte sie und schaute Albertine erwartungsvoll an.
»Da müssen Sie die Perle schon selbst fragen«, sagte Albertine.
Doch die Angesprochene schwieg wie eine Auster.
Müller Eins versuchte erst gar nicht, Clementine anzuwerben. Zu deutlich war die persönliche Abneigung zu spüren. Stattdessen rief Müller Eins Müller Zwo an, der sie abholen und nach Hause fahren sollte. Der Nachtisch hatte ihr eindeutig zu viele Kalorien.
Die Verabschiedung verlief distanziert und wenig herzlich. Wahrscheinlich war Müller Eins klar geworden, dass sie diese Nuss nie knacken würde.
Während Clementine die Küche aufräumte, kamen Egon-Erwin und Gunnar die Treppe herunter. Gunnar gefiel sich zunehmend in der Rolle des Opfers und versuchte so, Albertines Mitleid zu erschleichen.
»Erstaunlich, dass die Dame nicht mehr hier herumgeschnüffelt hat«, sagte Egon-Erwin. »Ich bin echt froh, dass ich mit meinem Artikel schon fertig war, bevor sie hier angetanzt kam.«
»Gunnar braucht ein neues Versteck, sonst fliegen wir auf«, sagte Hubertus und versuchte, den Tonfall eines Mafioso zu imitieren.
»Lass das, Hubertus, du klingst wie ein mittelmäßiger Schauspieler«, sagte Albertine und verdrehte dabei die Augen. »Ich weiß schon, wo wir Gunnar sicher parken.«
acht
»Nicht mit mir«, sagte Lisa Feld am nächsten Vormittag, die auf der Terrasse die Gartenmöbel schrubbte.
»Warum nicht?«, sagte Albertine.
»Ich will einfach mit dieser ganzen unappetitlichen Angelegenheit nichts zu tun haben. Natürlich seid ihr unschuldig. Aber ich möchte nicht, dass mir die Polizei das Haus auf den Kopf stellt.«
»Was gibt es denn bei dir zu finden? Versteh ich nicht«, sagte Albertine.
Lisa zuckte mit den Schultern. »Musst du auch nicht. Ist ’ne Privatsache.«
»Bei dir ist doch gar nichts privat. Man kann jeden Schritt, den du tust, auf Facebook nachlesen. Soll ich mal von Hubertus überprüfen lassen, welcher Männertyp am ehesten zu deinem Beuteschema passt?« Albertine grinste.
»Gunnar!« Lisa ließ sich in den Gartenstuhl fallen. Der Tag war sonnig, aber noch nicht warm genug, um draußen zu sitzen. Unter der Fleecejacke zeichneten sich Lisas barocke Rundungen
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