Ernten und Sterben (German Edition)
kommen die freundlichen Herren mit den abschließbaren Jacken und befördern dich in die Klapse. Dort gehörst du nämlich hin, wie all ihr bekloppten Städter, die uns das Landleben schwer machen. Geh zurück nach Hamburg und nerv deine Nachbarn. Beschimpf sie als Schwaben, das tut ja mittlerweile jeder Zausel. Statt Maultaschen gibt es dann eins aufs Maul. Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte. Aber dich mach ich jetzt fertig.« Der Bürgermeister stürmte mit der Mistgabel auf Albertine los, die sich in die Ecke treiben ließ.
In der Mitte der Mistgabel waren die Zinken stark auseinandergebogen, und Focken wusste das Arbeitsgerät meisterhaft einzusetzen. Mit einem wütenden Schrei stieß er zu, und Albertine war an der Holzwand einer Pferdebox festgetackert. Ihr tadellos geformter Hals passte genau in die Mitte der Zinken.
Sie ließ den Flaschenhals fallen und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Doch Focken war ein kräftiger Mann, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Mit der Mistgabel fest in den Händen, lehnte er sich zurück und trat Albertine mit dem Stiefel voller Wucht in den Magen. Albertine ließ vor Schmerz den Taser fallen, um sich mit beiden Händen an den Zinken festzuhalten. Sie japste, versuchte, Luft zu bekommen, hatte aber das Gefühl zu ersticken. Focken bückte sich, ohne die Mistgabel auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Mit einem Stromschlag ihres eigenen Elektroschockers schickte er sie ins Land der Träume.
Vielen Dank, dachte Albertine noch, bevor sie das Bewusstsein verlor.
Clementine erwachte als Erste aus der Bewusstlosigkeit und sah direkt in das Gesicht von Hubertus, der immer noch irgendwo im Nirwana schwebte. Der Killer war verschwunden, ein paar Tropfen Blut waren das Einzige, was er hinterlassen hatte. Sie versuchte aufzustehen, war aber genauso gefesselt wie Hubertus. Sie war sich nicht sicher, was sie mehr hasste, diesen widerwärtigen Maskenkiller oder verpackt auf einem staubigen Feldweg zu liegen. Dann entdeckte sie in zwei Meter Entfernung ihr Messer und versuchte, sich in die Nähe zu rollen. Die erste Umdrehung dauerte eine Ewigkeit, und für die zweite waren die Schmerzen fast zu stark. Aber sie musste es schaffen, noch pulsierte genug Adrenalin in ihrem Körper. Die letzte Umdrehung kostete sie auch den letzten Funken Energie. Aber sie lag auf dem Messer.
Bürgermeister Focken schulterte Albertine wie einen Sack Kartoffeln und ging in aller Ruhe zum Tor des Stalles. Ein kurzer Kontrollblick über den Hof genügte ihm, dann lief er direkt zum Treppenabgang und betrat das Kellergewölbe. Er tippte die Zahlenkombination 19 121 960 in die Tastatur an der Stahltür und legte dann den rechten Zeigefinger auf den Scanner. Die Tür öffnete sich mit einem satten Klack. Aus dem schwachen Geräusch, das man vor der verschlossenen Tür hören konnte, wurde nun ein deutliches Surren mit undefinierbarem Geratter.
Albertine nahm diese Geräuschkulisse nicht bewusst wahr, sie träumte von ihrem Bett. Focken setzte sie behutsam auf einen Bürostuhl. Erst klebte er ihren Mund mit Gaffer-Band zu, dann fixierte er Arme und Beine. Zu guter Letzt schnürte er Albertines Oberkörper fest an die Rückenlehne des Stuhls und zog ihr eine Wollmütze bis über das Kinn. Albertine wurde langsam wach. Doch sie bereute es sofort. Die Dunkelheit machte ihr Angst, und sie wusste im ersten Moment nicht, wie sie unter der Mütze Luft holen sollte.
»Atmen Sie am besten durch die Nase. Bleiben Sie ganz ruhig und bewegen Sie sich nicht hektisch. Ich stärke mich jetzt mit einem Heringssalat und extrasalzigen Laugenbrötchen. Und laufen Sie jetzt nicht weg, sonst verpassen Sie noch das Finale!« Focken ging hämisch lachend aus dem Keller. Es machte wieder klack, und hinter der Stahltür klang sein Lachen wie das Wiehern eines Pferdes.
Clementine hatte das Messer so gedreht, dass die Klinge nach oben zeigte. Mit beiden Händen hielt sie ihr Werkzeug fest und bewegte ihren Körper sachte hin und her. Nur sehr langsam konnte sie in das Plastik des Kabelbinders eine Kerbe ritzen, die sich dann zu einem richtigen Schnitt weitete. Mit einem Ruck löste sie die Fessel. Die Füße waren schnell befreit, und dann kam Hubertus an die Reihe. Der war bei Bewusstsein, doch er litt offensichtlich ein wenig unter Gedächtnisverlust.
»Guten Morgen, Clementine! Haben Sie vielleicht ein Tässchen grünen Tee für mich?« Er blickte sich fragend um. »Wo bin ich?«
»In
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